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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

DOI Heft:
Heft 55
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Gilles de la Tourette, François: Constantin Guys: ein Chronist des zweiten Kaiserreiches in Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0031

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CONSTANTIN GUYS, EIN CHRONIST DES ZWEITEN KAISERREICHES IN FRANKREICH

übertreibt. Mit einem Minimum an Farben und Linien — ein Minimum, das oft be-
wunderungswürdig wenig ist — gibt er den sittlichen oder physischen Charakter irgend
eines Geschöpfes oder irgend einer Gruppe bei irgend einer Tätigkeit. Sein psychologischer
Scharfblick vermischt sich aufs innigste mit seinem schöpferischen Können 5 und eine große
Seltenheit bei einem Sittenschilderer — seine Kunst ist fast immer von großer Schönheit.
Mit wenigen Tuschlinien, mit dem Bleistift nur leicht gehöht und mit einigen Lavierungen,
entweder auch mit Tusche oder mit Aquarellfarben, stellt er die Persönlichkeit hin, erfaßt
er sie in der ihr eigenen Bewegung und im Ausdruck ihres Innenlebens. Vom akademischen
Standpunkt aus ist seine Linienführung oft unregelmäßig, sie folgt mit merkwürdigster
Feinfühligkeit der wirklichen und offensichtlich momentanen Bewegung des Körpers 5
sein Strich gibt das Leben selbst wieder. Seine Geschöpfe sind meistens nicht allzu genaue
Kopien, auch keine Karikaturen, aber sie gehören zu jener Kategorie, die ich gerne be-
zeichnen möchte als: künstlerische Übertreibungen.

Constantin Guys, born in Vlissingen in 1802, was in many ways an eccentric and spent
most of his life traveling. He was Illustrator for the London News during the Crimean
War. Later he lived mostly in Paris where at the age of 85 he was run over by a wagon
and then spent the rest of his life in the Hospice Dubois. Baudelaire, Thackeray and the
Goncourts wrote about him. Guys was not a picture painter but rather a drawer, Illustrator
and chronicler of every strata of Parisian society. He sedulously avoided publicity and con-
sequently remained relatively unknown even in France. His most prominent accomplish-
ments are the reproduction of French types and Parisian life. He neither transcribed, com-
posed, nor caricatured; he reproduced gesture and movement in original and subtle
drawings—in a word, his works are “artistic accentuations”.

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