AUGUST L. MAYER
rauf der Eintrag »Heinrich von Stams« auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels weist.
Der Miniator scheint in allerengstem Zusammenhang zu stehen mit dem von Suida als
Meister der Darbringung genannten Künstler. Es wäre wohl viel zu gewagt, die Minia-
turen als ein Spätwerk des Malers selbst zu erklären, zumal die Zeichnung der Miniaturen
etwas derber ist. Der Miniator hat aber jedenfalls von diesem Meister sehr viel gelernt und
ebenso erinnert er nicht zuletzt in dem Typ seines Gottvaters an den des Meisters der Lon-
doner Trinität.
Man hat die Londoner Trinität mit burgundischer Malerei in Verbindung bringen wollen,
aber diejenigen, die diese Behauptung aufgestellt haben, sind den Beweis dafür schuldig
geblieben. Richtig ist, daß alle diese österreichischen Malereien gewisse Anklänge an fran-
zösische Art verraten, ebenso wie der berühmte Pähler-Altär, der sicherlich in den gleichen
Kunstkreis gehört, aber diese französischen Anregungen scheinen teilweise nur mittelbar
übernommen, teilweise über Böhmen nach Österreich gelangt und manches ist auch all-
gemeines Zeitgut.
Die Miniaturen haben auch mit der Tiroler, besonders mit der Brixener Malerei recht
wenig gemein. Erstens sind die Südtiroler Malereien naturgemäß viel stärker von Italien
beeinflußt; sodann sind alle diese Tiroler Malereien wesentlich derber, bäuerischer. Man
vergleiche nur einmal mit unseren Miniaturen und auch mit dem Londoner »Gnadenstuhl
in den Wolken« die Malereien im Kloster Wilten bei Innsbruck, vor allem aber den mit
dem Londoner Bild ungefähr gleichzeitigen »Gnadenstuhl in den Wolken mit zwei Heili-
gen und Stifter« zu Neustift bei Brixen (Innsbrucker Ausstellung 1902, Nr. 102). Gerade
aus diesem Vergleich wird man erkennen, wie sehr unsere Miniaturen der niederöster-
reichischen Gruppe nahestehen.
Man gewinnt aus den Miniaturen den Eindruck, daß der Künstler auch Tafelmaler gewesen
ist, denn sie wirken nicht eigentlich rein miniaturenhaft, sondern gemahnen in ihrem
Drang nach etwas größerem Format, wie in der sehr lebendigen Zeichnung an die große
Tafelmalerei. Das Kolorit ist reich und licht, durchaus der Anschauung des Zeitgenossen
Lochner entsprechend. Freilich fühlt man sich mehr als einmal von ferne an die Kunst
des älteren und volkstümlicheren Meister Bertram erinnert. Der Autor der Innsbrucker
Miniaturen strebt sichtlich aus der älteren idealistischen Richtung heraus und steuert in
seiner feinen und sicheren Naturbeobachtung nach der neuen naturalistischen Richtung.
Nicht allein seine Schilderung höfischer Szenen beweist, daß wir es mit einem Hofkünstler
zu tun haben, sondern seine elegante Art im allgemeinen, die ein wenig an die Weise der
burgundischen Hofkünstler erinnert.
A SPECULUM HUMANAE SALVATIONIS OF 1432 PAINTED IN INNSBRUCK, IN THE NATI-
ONAL LIBRARY OF MADRID. A valuable reference to an important viennese school of
painting at the beginning of the XV. Century is the Codex of the Speculum humanae
salvationis discovered by L. Mayer. The inscription Innsbruck points to the place of
its completion. The master was probably a court painter.
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rauf der Eintrag »Heinrich von Stams« auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels weist.
Der Miniator scheint in allerengstem Zusammenhang zu stehen mit dem von Suida als
Meister der Darbringung genannten Künstler. Es wäre wohl viel zu gewagt, die Minia-
turen als ein Spätwerk des Malers selbst zu erklären, zumal die Zeichnung der Miniaturen
etwas derber ist. Der Miniator hat aber jedenfalls von diesem Meister sehr viel gelernt und
ebenso erinnert er nicht zuletzt in dem Typ seines Gottvaters an den des Meisters der Lon-
doner Trinität.
Man hat die Londoner Trinität mit burgundischer Malerei in Verbindung bringen wollen,
aber diejenigen, die diese Behauptung aufgestellt haben, sind den Beweis dafür schuldig
geblieben. Richtig ist, daß alle diese österreichischen Malereien gewisse Anklänge an fran-
zösische Art verraten, ebenso wie der berühmte Pähler-Altär, der sicherlich in den gleichen
Kunstkreis gehört, aber diese französischen Anregungen scheinen teilweise nur mittelbar
übernommen, teilweise über Böhmen nach Österreich gelangt und manches ist auch all-
gemeines Zeitgut.
Die Miniaturen haben auch mit der Tiroler, besonders mit der Brixener Malerei recht
wenig gemein. Erstens sind die Südtiroler Malereien naturgemäß viel stärker von Italien
beeinflußt; sodann sind alle diese Tiroler Malereien wesentlich derber, bäuerischer. Man
vergleiche nur einmal mit unseren Miniaturen und auch mit dem Londoner »Gnadenstuhl
in den Wolken« die Malereien im Kloster Wilten bei Innsbruck, vor allem aber den mit
dem Londoner Bild ungefähr gleichzeitigen »Gnadenstuhl in den Wolken mit zwei Heili-
gen und Stifter« zu Neustift bei Brixen (Innsbrucker Ausstellung 1902, Nr. 102). Gerade
aus diesem Vergleich wird man erkennen, wie sehr unsere Miniaturen der niederöster-
reichischen Gruppe nahestehen.
Man gewinnt aus den Miniaturen den Eindruck, daß der Künstler auch Tafelmaler gewesen
ist, denn sie wirken nicht eigentlich rein miniaturenhaft, sondern gemahnen in ihrem
Drang nach etwas größerem Format, wie in der sehr lebendigen Zeichnung an die große
Tafelmalerei. Das Kolorit ist reich und licht, durchaus der Anschauung des Zeitgenossen
Lochner entsprechend. Freilich fühlt man sich mehr als einmal von ferne an die Kunst
des älteren und volkstümlicheren Meister Bertram erinnert. Der Autor der Innsbrucker
Miniaturen strebt sichtlich aus der älteren idealistischen Richtung heraus und steuert in
seiner feinen und sicheren Naturbeobachtung nach der neuen naturalistischen Richtung.
Nicht allein seine Schilderung höfischer Szenen beweist, daß wir es mit einem Hofkünstler
zu tun haben, sondern seine elegante Art im allgemeinen, die ein wenig an die Weise der
burgundischen Hofkünstler erinnert.
A SPECULUM HUMANAE SALVATIONIS OF 1432 PAINTED IN INNSBRUCK, IN THE NATI-
ONAL LIBRARY OF MADRID. A valuable reference to an important viennese school of
painting at the beginning of the XV. Century is the Codex of the Speculum humanae
salvationis discovered by L. Mayer. The inscription Innsbruck points to the place of
its completion. The master was probably a court painter.
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