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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

DOI issue:
Heft 57
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Fuchs, Ludwig F.: Flasche, Angster und Guttrolf
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0148

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LUDWIG F. FUCHS

röhrenförmigem oder bauchig erweitertem Hals, mit und ohne erweiterte Mundöffnung.
Man hat welche gefunden, deren Bauch in vier im Quadrat stehende Röhren auf-
gelöst ist und solche — was uns hier besonders interessiert — deren unterer, stark er-
weiterter Halsteil aus mehreren Röhren besteht, die sich oben wieder in ein enges, zylin-
drisches Halsende vereinigen (s. Kisa: Das Glas im Altertum, Formentafel D. 221). Auch
kommt es vor, daß die stark ausladende Mundöffnung seitlich so umgeschlagen ist, daß
eine enge und eine weite Schnauze entsteht. Erstere zum Ausgießen, letztere zum Trinken.
Diese Ausbildungen werden wir beim Angster und Guttrolf wiederfinden.
Die Form der Flasche blieb durch das ganze Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein
die allgemein gebräuchliche. Erst dann wurde sie von der heutigen Flaschenform im täg-
lichen Gebrauch abgelöst, ohne zu verschwinden. Nach dem oben Gesagten ist die Wahr-
scheinlichkeit groß, daß auch die beiden andern Formen auf die'römische Zeit zurück-
gehen. Wenn auch hinsichtlich der Form heute der Beweis noch nicht geführt werden
kann, so dürfte dies hinsichtlich der Namen um so eher möglich sein. Robert Schmidt
weist in seinem Handbuch »Das Glas« darauf hin, daß das Wort Angster nur von dem
lateinischen Wort angustus = eng kommen kann. Nach E. v. Czihak1 werden in einem
Schatzverzeichnis der Markuskirche in Venedig die mittellateinischen Bezeichnungen
(angastaria, angastarola) erwähnt, die wohl als die ältesten gelten können. Im Anschluß
daran teilt er mit, daß in der älteren florentinischen Sprache anguistara oder inguistara
eine enghalsige Flasche bedeutet.
Nun zum Guttrolf. Wenn wir hier die Schreibweise mit G statt mit K wählen, so geschieht
dies wegen der Ableitung aus dem Lateinischen, die mit ziemlicher Sicherheit auch hier
vorliegt. Wir beschäftigen uns vorerst nur mit den Namen, denn nomina sind auch hier
omina. Czihak zitiert Ducange, demzufolge das mittellateinische gutturinum ein im Boden
durchlöchertes Wassergefäß bedeutet, »welches also die Flüssigkeit in einzelnen Tropfen
(guttae) abgab«. Er verweist auf Diefenbachs »Glossarium latino-germanicum mediae et
infimae aetatis«, wo gutturnium—neum—inum, guttureum, guttarium, giesuas, löcheret,
lecherig giesuasz gleichgesetzt sind. Der durchlöcherte Boden, welcher hier ganz und gar
nicht stimmt, könnte uns veranlassen, statt an gutta = Tropfen an guttur = Gurgel zu
denken. Gewissermaßen ein dünner Schlauch, gebogen, und oben der vertikalgestellte er-
weiterte Mund, eine Erklärung, die auffallend mit der Form des Gefäßes übereinstimmt.
Aber wir wollen nicht vergessen, daß der Askos, die attische Weinkanne, aus Ton oder
Metall bei den Römern unter dem Namen guttus allgemein im Gebrauch war, und daß
sie in vielen gläsernen Exemplaren erhalten ist, und daß dieser Name wohl auch mit
guttur = Gurgel oder Kehle zusammenhängt. (Nach den Abbildungen bei Kisa2 weicht
die römische Form allerdings erheblich von der des Guttrolfs ab. Gemeinsam ist nur der
flachkugelförmige Bauch, die schiefe Stellung des Ausgusses bei der apulischen Abart und
die Form der Schnauze. Wir können leider nicht sagen, ob die im Museum von Neapel
befindlichen von den oben beschriebenen abweichenden Formen mehr Ähnlichkeit mit
1 E. v. Cihak, Schlesische Gläser, Breslau 1891. 2 ibid., S. 157 u. 355.

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