DER PLASTISCHE SCHMUCK DES WESTPORTALES BEI DEN MINORITEN IN WIEN
den darüberliegend en Wasserschlag, ja sie bilden seine Begrenzung nach rechts und links.
Der Vertikalismus ist also viel stärker betont. Die figuralen Konsolen sind in das Innere
des Portales verlegt und verdoppelt, der Fußteil des Gewölbes ist reicher. Da nun das süd-
liche Seitenportal in Stil und Proportion seiner Reliefs etwas weiter ist als das Mittel-
portal, so ist die fließende Reihe der Entstehung von links nach rechts gegeben. Gegenüber
der nervös den Raum nach allen Dimensionen durchzuckenden Fassade von Laon etwa
vor einem Jahrhundert ist hier eine äußerste, fast starre Ruhe und Flächengebundenheit
vorherrschend. Die scheinbar so wichtige Nachricht über den Jakobus aus Paris, Beichtiger
des Herzogs Albrecht, ist leider praktisch wenig wert. Als einzige Wahrscheinlichkeit
bleibt die Entstehung um das fünfte Jahrzehnt, die sich ohnedies aus allem übrigen von
selbst ergibt. Die Annahme, daß das Portal erst nach Fertigstellung der Kirche angelegt
wurde, ist unhaltbar. Die Reliefs sind aus den bereits versetzten Blöcken gemeißelt, die
auch in die Architekturteile hinüberbinden. Wir glauben für das Mittelportal mit den
Jahren vor 1550, für das südliche Seitenportal mit dem nächsten Jahrfünft auskommen
zu können. Vor Erörterung der stilistischen Gründe mögen wir noch etwas Historisches
nachholen. Die Beziehung des Jakob von Paris auf Albrecht II. ist dadurch gewährleistet,
daß dieser in dem wenig späteren Gräberverzeichnis stets als Vater des Stiftes bezeichnet
wird und daß dessen wichtigste Würdenträger bis herab zum Hoffriseur zu dem Baue
beigetragen haben, der wohl sein Lieblingsunternehmen war, wie sich später das Interesse
seiner Nachfolger vor allem auf St. Stephan und Maria am Gestade konzentrierte1.
Das Programm des Mittelportales zeigt offenbar in Beziehung auf den Titel der Kirche
als heilige Kreuzkirche im Tympanon eine Kreuzigung mit reicher Assistenz. Am Mittel-
pfeiler darunter die Madonna, flankiert vor dem Gewände von je drei männlichen und
weiblichen Heiligen. An den Außenpfeilern, rechts und links verteilt, die Verkündigung.
Die Darstellung bildet also die Eckpfeiler der Heilsgeschichte, von außen nach innen
fortschreitend, vom Beginne der Menschwerdung Christi bis zum Höhepunkte des Leidens.
Die Figuren der Verkündigung sind voll rund, doch mit einer deutlichen vorderen An-
sichtsebene gearbeitet. Ergänzt sind Teile des Spruchbandes bei dem Engel, der vor
allem durch das Traufwasser an den durch den Baldachin ungeschützten Stellen Schaden
nahm. Auch einige Finger hat er verloren. Sonst sind beide Figuren jenen Schäden
ausgesetzt, die am Mittelportale die häufigsten sind: an den Unterrändern der Falten-
mulden, in denen sich das Schmelz- und Regenwasser sammelte, sind die entstandenen
Schäden durch eine rohe moderne Abarbeitung zum »Verschwinden« gebracht, das
heißt die wohllautend abfallenden Faltenrücken wurden recht unregelmäßig nach-
gearbeitet, wie es eben die zufällige Tiefe der Schäden zu erfordern schien. Selbst in
der Reproduktion sind diese Oberflächenschäden ersichtlich. Sie haben an einigen Linien
die Konsonanz und den bewußt angestrebten Linienfluß irritiert. Die Figuren des Por-
1 Stiftungen: 1359 Ullrich Penzo, Kämmerer, 1343 Elisabeth Hailbeckhin, Hofmeisterin, 1353 Heinrich Malz-
kasten, Hofmeister, 1353 Agnes von Liechtenstein, Mutter des Hofmeisters, 1356 Otto von Wetterndorf, sein
lieber Kammerknecht, 1360 Martin Pfeiferwein, Kämmerer und zuletzt Ullrich Vaschanch, Friseur.
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den darüberliegend en Wasserschlag, ja sie bilden seine Begrenzung nach rechts und links.
Der Vertikalismus ist also viel stärker betont. Die figuralen Konsolen sind in das Innere
des Portales verlegt und verdoppelt, der Fußteil des Gewölbes ist reicher. Da nun das süd-
liche Seitenportal in Stil und Proportion seiner Reliefs etwas weiter ist als das Mittel-
portal, so ist die fließende Reihe der Entstehung von links nach rechts gegeben. Gegenüber
der nervös den Raum nach allen Dimensionen durchzuckenden Fassade von Laon etwa
vor einem Jahrhundert ist hier eine äußerste, fast starre Ruhe und Flächengebundenheit
vorherrschend. Die scheinbar so wichtige Nachricht über den Jakobus aus Paris, Beichtiger
des Herzogs Albrecht, ist leider praktisch wenig wert. Als einzige Wahrscheinlichkeit
bleibt die Entstehung um das fünfte Jahrzehnt, die sich ohnedies aus allem übrigen von
selbst ergibt. Die Annahme, daß das Portal erst nach Fertigstellung der Kirche angelegt
wurde, ist unhaltbar. Die Reliefs sind aus den bereits versetzten Blöcken gemeißelt, die
auch in die Architekturteile hinüberbinden. Wir glauben für das Mittelportal mit den
Jahren vor 1550, für das südliche Seitenportal mit dem nächsten Jahrfünft auskommen
zu können. Vor Erörterung der stilistischen Gründe mögen wir noch etwas Historisches
nachholen. Die Beziehung des Jakob von Paris auf Albrecht II. ist dadurch gewährleistet,
daß dieser in dem wenig späteren Gräberverzeichnis stets als Vater des Stiftes bezeichnet
wird und daß dessen wichtigste Würdenträger bis herab zum Hoffriseur zu dem Baue
beigetragen haben, der wohl sein Lieblingsunternehmen war, wie sich später das Interesse
seiner Nachfolger vor allem auf St. Stephan und Maria am Gestade konzentrierte1.
Das Programm des Mittelportales zeigt offenbar in Beziehung auf den Titel der Kirche
als heilige Kreuzkirche im Tympanon eine Kreuzigung mit reicher Assistenz. Am Mittel-
pfeiler darunter die Madonna, flankiert vor dem Gewände von je drei männlichen und
weiblichen Heiligen. An den Außenpfeilern, rechts und links verteilt, die Verkündigung.
Die Darstellung bildet also die Eckpfeiler der Heilsgeschichte, von außen nach innen
fortschreitend, vom Beginne der Menschwerdung Christi bis zum Höhepunkte des Leidens.
Die Figuren der Verkündigung sind voll rund, doch mit einer deutlichen vorderen An-
sichtsebene gearbeitet. Ergänzt sind Teile des Spruchbandes bei dem Engel, der vor
allem durch das Traufwasser an den durch den Baldachin ungeschützten Stellen Schaden
nahm. Auch einige Finger hat er verloren. Sonst sind beide Figuren jenen Schäden
ausgesetzt, die am Mittelportale die häufigsten sind: an den Unterrändern der Falten-
mulden, in denen sich das Schmelz- und Regenwasser sammelte, sind die entstandenen
Schäden durch eine rohe moderne Abarbeitung zum »Verschwinden« gebracht, das
heißt die wohllautend abfallenden Faltenrücken wurden recht unregelmäßig nach-
gearbeitet, wie es eben die zufällige Tiefe der Schäden zu erfordern schien. Selbst in
der Reproduktion sind diese Oberflächenschäden ersichtlich. Sie haben an einigen Linien
die Konsonanz und den bewußt angestrebten Linienfluß irritiert. Die Figuren des Por-
1 Stiftungen: 1359 Ullrich Penzo, Kämmerer, 1343 Elisabeth Hailbeckhin, Hofmeisterin, 1353 Heinrich Malz-
kasten, Hofmeister, 1353 Agnes von Liechtenstein, Mutter des Hofmeisters, 1356 Otto von Wetterndorf, sein
lieber Kammerknecht, 1360 Martin Pfeiferwein, Kämmerer und zuletzt Ullrich Vaschanch, Friseur.
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