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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 11.1927

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Heft 60
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Buchbesprechungen
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Glück, Gustav: [Rezension von: T. W. Muchall-Viebrook, Flemish Drawings of the Seventheenth Century]
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https://doi.org/10.11588/diglit.55197#0306

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BUCHBESPRECHUNGEN

zelnen Meister. Eine allgemeine Eigentümlichkeit
der flämischen Künstler dieser Zeit wird wohl
nicht genügend hervorgehoben: die Zeichnung
ist bei ihnen niemals Selbstzweck, sondern
immer Mittel zum Zweck, sie verdankt nicht
ihre Entstehung der Freude am Zeichnen,
sondern der Vorbereitung bestimmter Werke,
seien es nun Gemälde, Stiche, Holzschnitte
oder Skulpturen. Das gilt nicht nur für
Rubens selbst, das unbestrittene Haupt der
ganzen Schule, sondern auch wohl für fast alle
seine Zeit- und Schulgenossen. Ganz klar wird
diese kunstgeschichtliche Erscheinung erst zutage
treten, wenn das Zeichnungenwerk der einzelnen
Meister, sauber kritisch geordnet, vorliegen wird.
Das ist heute noch nicht der Fall. Für Rubens
wird sich zunächst jede Darstellung seiner Zeichen-
kunst auf F. M. Haberditzls vorzüglichen Aufsatz
in den »Graphischen Künsten« (XXXV, 1912,
S. 1) stützen müssen. Noch zu wenig geschätzt
sind Van Dycks Blätter, besonders seine frühen
genialen Kompositionsskizzen, die zumeist mit
der Feder gezeichnet sind, ebenso auch Jordaens’
ganz malerisch empfundene Aquarellskizzen und
selbst Brouwers seltene geistreiche Federzeich-
nungen. Vollends unbekannt ist schließlich noch
die Zeichenweise der einzelnen Maler aus Rubens’
nächstem und weiterem Gefolge. Die allgemeine
Unsicherheit der Stilkritik auf diesem Gebiete
wird sich in den folgenden Bemerkungen über
die von T. W. Muchall-Viebrook ausgewählten
und abgebildeten Blätter zeigen, woraus die
Unverläßlichkeit mancher Zuschreibungen her-
vorgeht. Die Auswahl kann daher auch nicht
durchaus gebilligt werden, so anerkennenswert
das Streben des Herausgebers sein mag, wenig
Bekanntes herauszuziehen. Ich folge nun den
Ordnungszahlen der Abbildungen.
2 Rubens, Die Niederlage Sanheribs. Feder,
Wien, Albertina. In der eckigen Zeichenweise
dieses Blattes vermag ich Rubens’ Hand nicht
mit Sicherheit zu erkennen.
3 Rubens, Zwei Studien zum hl. Christoph.
Feder, London, British Museum. Wären wohl
besser weggeblieben, wenn der Herausgeber, wie
er sagt, meine in den Mitteilungen der Gesell-

schaft für vervielfältigende Kunst, 1924 S. 73,
geäußerten Bedenken berechtigt findet. Im
übrigen halte auch ich die Kritik der Federzeich-
nungen, die Rubens zugeschrieben werden, noch
für ein schwieriges Problem. Die suchende,
probierende Wiederholung desselben Motivs, wie
sie hier vorliegt, spricht aber sicherlich nicht
für Rubens’ Urheberschaft.
4 Rubens, Studienblatt. Kreide und Rötel, weiß
gehöht, Stettin, Gollnowsche Sammlung. Die
Datierung des Herausgebers, der an die italie-
nische oder an die erste Antwerpner Zeit denkt,
ist ohne Zweifel irrig. Wenn das Blatt echt ist,
woran ich zweifeln möchte, obwohl ich es leider
nicht aus eigener Anschauung kenne, so müßte
es ungefähr in die Jahre 1628 oder 1629 ge-
hören und im Anschluß an neuerliche Studien
nach Tizian entstanden sein.
g Rubens, Stierjagd. Kreide, Berlin, Kupferstich-
kabinett. Gehört sicherlich nicht in die Ent-
stehungszeit der großen Jagdbilder, die zumeist
um 1616—1620 gemalt worden sind. Ja, der
Stil ist in seinem unruhigen Vortrag so fort-
geschritten, daß ich nicht für unmöglich halten
möchte, das Blatt sei erst nach Rubens’ Tode
entstanden.
10 Rubens, Diana auf der Hirschjagd. Kreide,
laviert und weiß gehöht, Paris, Louvre.
11 Rubens, Abraham und Melchisedek. Kreide,
Wien, Albertina.
12 Rubens, Marter des hl. Stephanus. Kreide, laviert
und aquarelliert, Petersburg, Ermitage. Ausführ-
liche Nachzeichnungen von ganzen Kompositionen
und Motiven, wie sie in diesen drei Blättern
vorliegen, rühren sicherlich nicht von Rubens
selbst, sondern von Schülern oder Stechern
her. So Rubensisch solche Arbeiten aussehen,
sie zeigen doch auch im Technischen nicht
seine Ausdrucksweise.
17 Rubens, Der Herzog von Lerma zu Pferde.
Feder, laviert, Paris Louvre. Von dem Heraus-
geber richtig als eine Vorstudie zu dem berühm-
ten Reiterbildnisse des Günstlings Philipps III.
bezeichnet, das sich heute im Besitze der Gräfin
Gavia, geb. Herzogin von Lerma, in Madrid
befindet und das die volle Bezeichnung des

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