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Sommer, Gustav
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 1): Die Kreise Zeitz, Langensalza, Weissenfels, Mühlhausen und Sangerhausen — 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.41153#0040

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Kreis Zeitz.

Von dem übrigen Theil der Kirche und von denThürmen ist zwar jede Spur
verschwunden, doch giebt eine Ansicht inr Merian’schen Werke („Obersachsen
1650“) so viel Auskunft, dass die fehlenden Stücke zu errathen sind (Fig. 12).
Die Thürme nahmen hiernach auf halber Höhe die freistellende Form an, mit
2 Etagen über dem Hauptgesims der Kirche, deren untere 4seitig war mit je
einem Fenster, die obere 8seitig, ebenfalls mit einem Rundbogenfenster an
jeder Seite.
Der eigentliche Zweck der erwähnten Nachgrabung war nur gewesen, zu
untersuchen, ob die Bosauer Kirche eine Krypta besessen habe. Man musste eine
solche vermuthen, weil das Niveau des Altarraums um 1,8 Meter über dem des
Schiffes lag, allein verschiedene Einschlagungen führten nicht zu dem voraussetz-
lichen Resultate, so dass die um 9 bis 11 Stufen erhöhte Lage des Chores unauf-
geklärt gebheben ist.
Anlangend die weitere Architektur der Kirche, deren Reconstruction nur,
wenn auch mit grosser WahrscheinKchkeit, vermuthet werden kann, so steht
zunächst wohl fest, dass sie der Blüthe der romanischen Periode angehörte und
vermöge der reichen Dotation auch mit angemessener Pracht ausgestattet geivesen
sein muss, wofür schon der stattliche Chorschluss spricht. Nach Leuekfeld’s auf
das Chronicon des Bosauer Mönchs Pani Lange fussenden Histor. Nachr. (1731)
hat der Bau der Kirche und des Klosters von 1114 bis 1122 gedauert. Der
Stifter, Bischof Dieterich, wurde, als er in stiller Andacht vor dem Altar kniete,
von einem rachsüchtigen wendischen Laienbruder meuchlings bereits 1123 ermordet
und an derselben Stelle im Chore, wie ihm als Stifter des Klosters gebührte, bei-
gesetzt; von seinem Grabe ist keine Spur vorhanden. Pani Lange erzählt, dass
die durch den Mord entheiligte Kirche 1124 wiederum mit grossen Ceremonien
eingeweiht und mehrere neue Altäre darin gestiftet worden; und sagt weiter, dass
das Gebäude ein „aedificium magnificum et amoenum“ gewesen sei. — Bei der
Ausgrabung wurden einige beschädigte Gesimse gefunden (wahrscheinlich von
den Pfeilern), welche die umgekehrte attische Basis zeigten. Die Pfeiler im Altar-
raum hatten als Fussgesims nur die „Schräge“, deren Auslauf zur Höhe im Ver-
hältniss wie 2 : 3, also steü gehalten war. *) Ausserdem wurden noch verschiedene
Reste gefunden, welche theils von der Kirche, theils
von den Anschlussgebäuden, namentlich vom Kreuz-
gange herrührten:
einige Theile von Mauerziegel -Fliessen (Fig. 13)
mit, unterarbeiteter Stossfuge, 16cm im Quadrat gross,
4,5cm dick; ungeachtet, dass sie sich 2 Jahrhun-
derte lang in der Erde befunden haben, war wegen der Güte des Ziegehnaterials
nicht die Spur von Auflösung zu sehen;

Fig. 13.
0,16 ™


*) Bei Errichtung des Schlosses in Zeitz im 17. Jahrhundert dienten die Klosterbaulich-
keiten von Bosau gewissermassen als Steinbruch, und hei einem im Jahre 1874 auf dem Zeitzer
Schlosse ausgefuhrten Umbau kamen ein Paar vermauert gewesene Pfeilercapitäle mit zierlichem
Schachbrettmuster zu Tage, deren Bosauer Ursprung gewiss ist. — Auch der romanische Tauf-
stein in der Schlosskirche zu Zeitz rührt vielleicht aus Bosau her.
 
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