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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0027

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Der Meister der Ulrichsiegende.

Als sich im sechsten Jahrzehnt des 15. Jahrhun-
derts der Einfluß der stilsicheren niederländischen
Malerei auf die oberdeutschen Werkstätten ver-
stärkte, suchte man auch in Augsburg Rat und
Förderung in der Fremde. Die künstlerische Höhe
der niederländischen Malkunst wußte man in der
Lechstadt zu schätzen. 1455 wird für den Frohn-
altar von St. Ulrich und Afra zu Augsburg eiue
flandrische Altartafel um 200 fl. gekauft/) In der
Kirche des gleichen Klosters werden noch heute
die in der Literatur oft erwähnten Breittafeln mit
der Darstellung der Ulrichslegende bewahrt,") die
offenbar unter unmittelbarer Einwirkung nieder-
ländischer Vorbilder entstanden sind (Abb. 6 u. 7).
Es sind keine Altarbüchstücke, sondern selbstän-
dige Wandbilder, die, vielleicht als Schmuck des
Kapitelsaals, den Mönchen die Wunder aus dem
Leben des heiligenUlrich vor Augen geführt haben.
Daß dieTafeln nicht niederländischer Import sind,
beweist sowohl die Holzart der Malbretter (Fichte)
als die merkliche Abwandlung der fremdländischen
Sprache in die schwäbische Mundart. Als Vorbild
wurde, m. W. zuerst von H. Vossü der Bertinaltar
Marmions genannt, mit dem Aufbau und Kompo-
sition der Ulrichslegenden in der Tat große Ver-
wandtschaft zeigen, — allerdings kann ich den
Zusammenhang nicht für einen unmittelbaren hal-
ten, vielmehr dürfte der Bertinaltar aus den glei-
chen oder ähnlichen Quellen gespeist sein, wie die
Augsburger Bilder, die höchst wahrscheinlich noch
einige Jahre vor den um 1458 gemalten Marmion-
tafeln entstanden sind. Dann wurde von Grise-
baclV) nachgewiesen, daß der Haustypus auf dem
*) Fichtenholz je 90 x 190 cm. Vgl. Fr. Reber, Kunsthist. Ges. f. phot.
Publ. 1903 Tafel VII—X.
P H. Voss, Der Ursprung des Donaustils (190V) S. 58.
P E. Grisebach, Monatshefte für Kunstwissenschaft V (1912), S. 256.

Mittelfeld des Fischwunders auf die Architektur
der Rogerschen Heimsuchung (Turin) zurückgeht.
Dieser Hinweis führt auf den rechten Weg. Es läßt
sich zeigen, daß wirklich die Brüssler Malerei um
1440—50 den Nährboden für die Kunstweise des
Augsburger Meisters gebildet hat. Der Maler hat
eine Tafel des Brüssler ,,Meisters der Exhumation
des Hubertus" (Abb. 9), der von Friedländer mit
Roger selbst indentitiziert wird, nämlich den
,,Traum des Sergius" (New York, bei Friedsam),
gekannt und genutzt. Die Übernahmen sind auf-
zeigbar und unmittelbar überzeugend. Der kelch-
haltende Engel auf der Traumszene der ,,Ulrichs-
messe" (Abb. 8) ist in wesentlichen Zügen—Unter-
arme und Hände wurden verändert — dem Engel
der Sergiustafel nachgebildet. Kopf- und Körper-
haltung, Kleid und Faltenwurf sind bis auf geringe
Abweichungen und Vereinfachungen getreulich
übernommen. Man beachte etwa die Fältelung an
Hals und Brust oder die große Querfalte, die vom
Leib zum rechten Fuß hinabführt. Ferner war für
Typus und Haltung des schlafenden Ulrich (für
die Art, wie die eine Hand das müde Haupt stützt)
auf den beiden Traumszenen der Augsburger Ta-
feln sicherlich die Gestalt des Papstes Sergius an-
regend. Ganz offenkundig wird die Anlehnung an
das Brüssler Vorbild bei der Architektur der lin-
ken Szene des Fischwunders (Abb. 10). Der zwie-
fache, auf schlanken Rundsäulen ruhende Bogen,
dieEinfügung des leicht eingetieften oberenBogens
in das flache Giebeldreieck, rechts rückwärts die
eigenartige Turmbekrönung (konsolengestützter
Zinnenkranz, spitze Turmhaube), die säuberliche,
etwas kahle Behandlung des architektonischen De-
tails: trotzdem man nicht von einer sklavischen
Kopie sprechen kann, — im Einzelnen ist alles leise
umgewandelt, ein wenig stumpfer und unarchi-

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