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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0051

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gehabt, weshalb seine Werke in diesem Zusam-
menhang eingehend zu besprechen sind. In einer
Zeit, da infolge der oft übermächtigen, nicht selten
die Eigenkraft zermürbenden, zu zwittrigen Lö-
sungen verführenden Einwirkung der niederlän-
dischen Kunst die deutsche Malerei an vielen Or-
ten Standfestigkeit und Stilsicherheit zu verlieren
drohte, in dem kritischen sechsten Jahrzehnt, da
ragen die beiden großartig schlichten Tafeln über
die Mehrzahl der gleichzeitigen, oft unsicher ta-
stenden, unfrei nachahmenden, oft saftlosen und
blutarmen Malwerke. Nicht das Freisein von nie-
derländischem Einschlag, der auch auf den Augs-
burger Flügeln nicht zu verkennen ist, sichert
ihnen den Vorrang, sondern der Blick für das
Große und der ländlich feste Griff, mit dem das
Fremde zu einer eigenen, charaktervollen und ge-
schlossenen Leistung verwandt und verwandelt
wird. Im Kern ist Aufbau, Raumgefühl und Land-
schaftsformung durchaus oberdeutsch — und wie
Figur, Bauwerk und Ferne naiv, unproblematisch
und wirkungsicher zur Einheit gefügt sind, das ist
grundverschieden von der überlegten Zonengliede-
rung und klaren Raumschichtung niederländischer
Bilder. Die Geburtszene ist der einfachere und stär-
kere Wurf. Die übereckgestellten Stempen der
Hütte, die Art, wie Maria und Josef hier, die klei-
nen betenden Engel dort sich in zwingender Tie-
fengliederung um das Kindlein reihen, schließlich
der in großer Kurve herabströmende Fluß — das
alles wirkt zu einem mächtigen Tiefeneindruck zu-
sammen. Aber die Interpretation nach räumlichen
Gesichtspunkten allein wird dem Bild als solchem
nicht gerecht, wie überhaupt das Abhorchen der
Kunstwerke auf moderne Problemstellungen hin
nur zu oft zu seminarhaftem Dünkel gegenüber
den künstlerischen, nicht beweis- aber fühl- und
aufzeigbaren Werten eines Werkes verführt. Es
gehört zum Entscheidenden für die Gesamtwir-
kung, wie auf beiden Tafeln durch das schlichte,
den obern Bildrand fast berührende Dach und die

energischen Senkrechten der Stützen und Mauern
der Bau der Bilder gefestigt wird. Gewisse schräge
Richtungszüge werden durch Wiederholung in
ihrer Wirkung gesteigert. Auf die Reize des Lieb-
lichen, Warm-menschlichen, Anmutigen, die so
oft bei der Geburtszene beschworen wurden, ist
verzichtet. Herb und ernst, verschlossen und fei-
erlich knien die Verehrenden um das Knäblein.
Die Gebärdung still und verhalten, in großen,
schweren Kurven fällt die Gewandung. Eine groß-
artige Monotonie der psychischen Haltung ist den
Gestalten eigen. Die ruhig-klare, einfache, groß-
flächige Farbigkeit unterstützt wirksam den ern-
sten und feierlichen Eindruck.
Die ,,Anbetung der Könige" ist nicht so einheitlich
nach räumlichen Gesichtspunkten gebaut. In der
Reihung der Gestalten macht sich eine gewisse
Schwere und Gebundenheit geltend. Aber trotzdem
ist es von eindringlichster Wirkung, wie die Gruppe
von den beiden ernsten Vertikalen der Flügelmän-
ner gefaßt, wie die Hauptfigur aus der Gruppe ge-
löst und durch die senkrechte Mauerkante gestützt,
wie die durch die Köpfe der beiden rechten Könige
markierte Schräge von dem großkurvig ansteigen-
den, in kompositioneller Beziehung zum Haupt Ma-
riä stehenden Hügelkontur emporgeführt wird. Die
Charakterisierung der Gesichter ist, wenn auch die
zwei älteren Könige schärfer und naturnäher durch-
gebildet sind, noch stark von allgemeinen Form-
vorstellungen beherrscht. Eine merkwürdige Ver-
schiefung und Abplattung der Gesichtszüge, beson-
ders aber die eigentümlich knochenlose, flache Bil-
dung der langen Hände sind als kennzeichnende
Absonderlichkeiten des Meisters zu buchen, die uns
die Zuschreibung eines später entstandenen Altar-
werks an seine Hand erleichtern werden. Die Ge-
bärdung der Hände wirkt mitunter, zumal bei dem
knienden König, durch eine geflissentliche Beto-
nung des Momentanen absichtsvoll und nicht ge-
löst. Die großflächigen, kräftigen aber nicht bun-
ten F arbtöne sind zu eindrucksvoller Gesamtwir-

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