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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0062

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Abb. 30. Der Meister von 1477, Entkleidung

ein beladener Kahn gefahren ist, wirkt wie eine
unmittelbare Naturbeobachtung. Es ist wahr-
scheinlich, daß der Passionsaltar eine gute Spanne
nach der Kreuzigung von 1477 —etwa um 1485 —
entstanden ist. Eine größere Lässigkeit, eine etwas
äußerliche Fingerfertigkeit kennzeichnet die Form-
gebung. Die Charakteristik ist schablonenhafter,
die Faltenknitterung schwächlicher und formel-
hafter, die Bewegtheit spielerischer, kleinlicher,
äußerlicher geworden. Auch das Kolorit hat viel
von der grellen Buntheit der Kaisheimer Tafel ver-
loren, wenn schon der fälschende Restauratoren-
firnis zur Vorsicht hei der Beurteilung der Farbe
mahnt. Hellrot, lichtes Karmin, Grün, Weißlich
blau, sprödes Grau, Fahlgelb und Ocker herrschen
in den Gewändern vor, während die Landschaft in
stumpfgrünen, fahlhräunlichen Tönen gehalten
ist. Die zeitlich bedingten Unterschiede des Altars
und der Kaisheimer Kreuzigung berechtigten bei
dem ausgeprägten, sehr persönlichen Stil des Mei-
sters nicht zu einem Zweifel an der Ausführung
beider Werke durch die gleiche Hand.
Stilistisch steht dem Passionsaltar eine doppelsei-
tig bemalte, wohl kurze Zeit früher entstandene
Tafel in der Stuttgarter Galerie^) besonders nahe.
Sie gehörte nach dem Bildinhalt (Innenseite: Ent-
kleidung Christi [Abb. 30]; Außenseite: oben Fuß-
waschung Petri, unten Dornenkrönung [Abb. 32])
ebenfalls zu einem Passionsaltar. Die auf der Innen-
seite wohl erhaltene, auf der Außenseite nur wenig
ausgebesserteTafel war ursprünglich etwas höher,
was auf der Darstellung die Fußwaschung — der
Kopf des Judas ist beschnitten — deutlich wird. Die
wohl zum Hauptaspekt des Altars gehörige Entklei-
dung ist mit größerer Sorgfalt durchgeführt, als die
Szenen der Rückseite. Die hastig gestikulierenden,
boshaft meckernden Kriegsknechte reißen dem
mageren, zaghaft sich vorneigenden.schneiderarti-
gen Heiland den Alantei herunter. Die gepfropfte
Komposition hat zwar wenig Luft und Raum, aber
') Kitt. Nr. 99; Fichtenholz: 125,5X57 cm.

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