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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0134

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typische Farbe der Gewänder des Judas und der
Henker auf Bildern des späten 15. Jahrhunderts —
oder ein kaltes grünstichiges Blau, bewirken
schrille Dissonanzen. In den Kaufbeurener Bildern
ist der Himmel sogar durch Goldgrund ersetzt.
Die Malerei ist bis in die unscheinbarsten Details
von gleichmäßiger Sorgfalt. Mit spitzem Pinsel,
scharf silhouettiert sind die Engelshgürchen, die
nach mittelalterlicher Weise das Kreuz umflat-
tern^), auf die dunkle Wolke gesetzt. Wie der
Vater so tut sich auch der Sohn auf die stoffliche
Charakteristik der Gewänder, Rüstungen und Waf-
fen sichtlich etwas zugute. Mit seiner bedächtigen,
fein verschmelzenden Malweise hat er bei den nack-
ten Körpern der Gekreuzigten den Eindruck der
Natur Wahrheit auf geradezu virtuoseW eise erreicht.
Den Bewegungen der Figuren fehlt die Unmittel-
barkeit. Über dem Streben nach möglichst differen-
zierten Motiven sind die Posen und Gesten etwas
marionettenhaft geraten. Das reine Profil wieder-
holt sich zum Überdruß und Verkürzungen sind
fast immer mißlungen. Motive, die offenbar nicht
im eigenen Garten des Meisters gewachsen sind, fal-
len denn auch sofort auf: Das Kniemotiv des um
den Rock Christi würfelnden Legionärs, das auch
in einer Apostelfigur der Casseler ,,Verklärung"
(Abb.94) anklingt, scheint auf eine Vorlage zurück-
zugehen, die zum festen Bestand der Apt-Werkstatt
gehörte, der Verkündigungsengel, wie auch einzelne
Figuren des Kaufbeurener ,,Kindermordes", dürf-
ten durch italienische Vorbilder bedingt sein.
Kennzeichnend für die derbe Art des Meisters sind
die bäuerischen Physiognomien mit dem langge-
zogenen Oval, den spitzen Nasen, klobigen Unter-
kiefern und den aufgesperrten Mündern, durch die
der Ausdruck etwas Stupides bekommt. Neben
diesen Typen finden sich dann allerdings auch
einige durchaus individuelle Porträtköpfe.
Bei der ängstlichen Gewissenhaftigkeit, mit der er
jedes Fleckchen der drei Tafeln des Augsburger
0 Wilhelm Pinder in der Zeitschrift f. b. Kunst, 56. Jahrg., N. F.
XXXII., 1921, p. 203.

Altars ausgefüllt hat, ist es dem Meister nicht rest-
los gelungen, die räumlichen Beziehungen inner-
halb der dicht gedrängten Masse von Assistenzfigu-
ren klar zu stellen und durch die schematisch-
symmetrische Anordnung der Figuren auf den
Flügeln hat er das Ganze noch keineswegs wirk-
sam akzentuiert. Eine um so ,,modernere" Lei-
stung bedeutet dagegen die grau in grau gemalte
,.Verkündigung" auf den Außenflügeln (Abb. 86).
Wie hier durch rein malerische Mittel, durch eine
energische Abstufung der grauen Töne die Illu-
sion des Körperlichen und Räumlichen gewonnen
wurde, wie die bewegte Erscheinung der Gewän-
der zu der kahlen italienisierenden Architektur in
Kontrast gesetzt ist, das weist beträchtlich über die
Gestaltungsmöglichkeiten des Vaters hinaus. Hier
zeigen sich bereits Ansätze zu jenem rein artisti-
schen Stil, der dann während der zwanziger Jahre
bei JörgBreu zur vollen Entfaltung kommen sollte.
Auch die rundlich weichen, vielfach geknickten
Faltenstege und gewellten Säume der Gewänder
haben schon einen ,,manieristischen" Charakter.
III.
Bis zum Jahre 1809 stand in Augsburg auf dem
beim Dom gelegenen Fronhofe eine Kapelle, die
1512/13 der bekannte Kardinal MatthäusLang von
Wellenburg zu Ehren seines Namenspatrons und
des in der Augsburger Diözese besonders verehr-
ten hl. Narzissus hatte errichten lassen^).
Dieselben Heiligen sind auch auf dem Mittelbilde
des jetzt als Leihgabe der Münchner Universität
in der Pinakothek befindlichen Altars (Abb. 92)
dargestellt, und schon durch diese ikonographisch
ganz singuläre Zusammenstellung ließe sich die
Annahme, der Altar sei einstmals in der Lang-
schen Kapelle gestanden, rechtfertigen. Es gibt
aber noch ein weiteres Argument: Der Kardinal,
dessen charakteristischer Schwabenkopf aus einer
prächtigen Zeichnung Albrecht Dürers (Abb. 90)
sowie aus den Medaillen und der Skizze des Augs-
2) Vgl. die Gedenktafel am Hause D 137 des Augsburger Fronliofes.

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