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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0190

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Außer im Madonnenbild Enden wir übrigens die in
der deutschen Kunst so selten angewandte Form
des Halbtigurenbildes auch sonst im Werke Hol-
beins. So bewahrt das herzogliche Museum in
Gotha eine heilige Katharina (Abb. 126), die in der
Fachliteratur noch unerwähnt geblieben ist, ob-
wohl sie in dieser Sammlung unter dem richtigen
Namen ausgestellt ist*). Lange oMene Haare fal-
len zu beiden Seiten des Kopfes herab. Das mit
weißen Goldborten eingefaßte von einem roten
Gürtel zusammengehaltene weiße Gewand hebt
sich wirkungsvoll von einem dunklen Grund ab.
Die Heilige hält ihr Attribut, das Rad, in beiden
Händen; der wagrecht gelegte linke Unterarm
dient der Komposition als wirkungsvoller unterer
Abschluß. Der fast porträtmäßige Typus ist un-
niederländisch, das Werk gehört offenbar in die
spätere Zeit Holbeins und dürfte in seiner ruhigen
und schlichten Entfaltung der Körperlichkeit in
die Zeit der Prager Flügel") fallen, also kurz vor
dem Katharinenaltar von 1512 entstanden sein.
Viel stärker zeigt sich der niederländische Einfluß
in dem Halbfigurenbild eines Schmerzensmannes
in der Straßburger Galerie und in dessen Gegen-
stück, der kürzlich für das Kaiser Friedrich-Mu-
seum erworbenen Schmerzensmutter^). Der Typus
entfernt sich von dem asketischen Ideal Rogiers
und von dem tränenreichen der Boutsschule und
Modellierung ist ganz zart, sie ist eben nicht in zwei Tönen gemalt,
sondern wie auf einer Zeichnung behandelt. Ich hege keinen Zweifel,
daß vir hier ebenso wie in Jan van Eyck's heiliger Barbara zwar bis
in's letzte Detail durchgezeichnete, aber nicht zur farbigen Ausführung
gelangte Gemälde vor uns haben.
3) Vgl. Berliner Museen 1927, S. 102.

nähert sich dem schönen leidenden Christushelden
Memlings. Dieser lebt auch in den Passionstafeln
Holbeins fort und hndet in dem noch spätgotisch
empfundenen stehenden Christus mit den Wund-
malen des Züricher Landesmuseums (Abb. 137),
der in den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts
entstanden sein dürfte, seine reinste Ausprägung.
Ein rein niederländisches Motiv ist schließlich noch
das Brustbild des Christus als Salvator mundi, das
Holbein nach Glaser in einem Gemälde in Berliner
Privatbesitz*) neu gestaltet haben soll.
Zweifelsohne noch in die neunziger Jahre gehört
eine Zeichnung in Basel, die die sitzende Madonna
von Engeln umgehen im geschlossenen Garten wie-
dergibU). Einzelheiten der Darstellung, die Lage-
rung des Kindes, die Art, wie die Mutter die Brust
hält, über deren oberen Ansatz ein Zipfel des Kopf-
tuches fällt, ist wieder Rogier'schen Madonnenbil-
dern — man sehe z. B. das in Berlin — nachgebil-
det. Die beiden rechts und links stehenden Engel
dieser Baseler Zeichnung hat Holbein in seiner voll-
signierten 1499 datierten Madonna im Nürnberger
Germanischen Museum wiederholt, die Hauptfigur
aber neu und selbständig gebildet. In der Gesamt-
komposition treten niederländische Reminiszenzen
— man denkt etwa an die Madonna im Gemache
von einem Nachahmer Rogiers in der Pariser
Sammlung Carvalho") oder am Memlings Ma-
donna zwischen musizierenden Engeln in den Uf-
fizien — höchstens in vollkommen verarbeiteter
Form auf. Maltechnisch und stilistisch ist der
Nürnberger Madonna von 1499 ein kleines Halb-
figurenbildchen (Abb. 127) aufs engste verwandt,
das 1917 auf derVersteigerungKaufmann inBerlin
von der Wiener Gemäldegalerie erworben wurde.
Ein niederländisches Vorbild steht hier über allem
4) Vgl. Curt Glasers Artikel über Hans Holbein d. A. im XVII. Bd.
von Thiemes Allgemeinem Lexikon der bildenden Künstler.
3) Vgl. den ausgezeichneten Aufsatz: Hans oder Sigmund Holbein von
Daniei Burckhardt im Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen,
XIII, Berlin 1892, S. 137 f., Lichtdrucktafel daselbst.
den, Zur Kunstgeschichte des Auslandes, Heft 103, S. 66, Tafel XIII.

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