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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0202

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Augenmerk wurde vor allem der Modellierung des
Kopfes zugewendet, die treu die letzte Einzelheit
verfolgt und uns ein erschöpfendes Bild vom Aus-
sehen des Dargestellten gewährt.
Das Porträt des vornehmen jungen Mannes in der
Grazer Galerie scheint mir einen neuen Beweis für
die von Suida in seinem erwähnten Aufsatz über
Holbein als Bildnismaler bestrittene Zuschreibung
des weiblichen Bildnisses der Galerie Cook in Rieh -
mond zu geben. Der Gelehrte schreibt dieses Ge-
mälde dem älteren Sohne unseres Meisters Am-
brosius zu. Ganz abgesehen davon, daß es äußerst
unwahrscheinlich erscheint, daß ein junger Künst-
ler einem gemalten Bildnis die vorhandene Zeich-
nung seines Vaters zugrunde legt, ist das Porträt
in Richmond in Einzelheiten, der Zeichnung von
Augen, Nasenflügeln und Lippen, und in der tech-
nischen Behandlung des Hemdsaumes mit dem
Grazer vollkommen identisch, so daß beide zwei-
felsohne von derselben Hand herrühren.
In drei Fällen sind wir nun imstande, ein ausge-
führtes Porträt Holbeins mit der Vorzeichnung zu
vergleichen. Überall hält der Künstler in der Zeich-
nung zuerst die Komposition fest, ändert aber im
ausgeführten Gemälde Einzelheiten der Haltung.
Für das Richmonder Damenbildnis (Abb. 117)
existieren — in London und Berlin — sogar zwei
Zeichnungen, an keine hat sich der Künstler skla-
visch gehalten. Auf allen vier Zeichnungen, die ge-
malte Porträte vorbereiten, wird das Gesicht allge-
meiner gehalten als auf anderen erhaltenen Porträt-
zeichnungen. Dies stempelt sie von vornhinein zu
Vorzeichnungen von Gemälden, beweist aber
gleichzeitig, daß andere Silberstiftbildniszeich-
nungen rein um ihrer selbst willen und ohne Ge-
danken an spätere Verwertung gezeichnet wurden,
so daß wir in Zukunft zweierlei Arten von Por-
trätzeichnungen des älteren Holbein werden unter-
scheiden müssen.
Die Tatsache, daß Holbein seinen gemalten Bild-
nissen zwar Zeichnungen zu Grunde legte, den

ersten Entwurf aber im Gemälde änderte, erlaubt
uns vielleicht auch einen Schluß auf seine Kompo-
sitionszeichnungen, um so mehr, als er für die
Hand seiner Wiener Madonna mit dem Granat-
apfel (Abb. 128, 136) zwar eine Naturstudie (Ab-
bildung 129) schuf und Köpfe und Hände seines
SebastianaltaresQ in Zeichnungen vorbereitete,
diese dann aber nur in veränderter Form über-
nahm. Nun besitzen wir zu erhaltenen Werken
von Holbein einerseits flüchtige Federzeichnungen,
die die allgemeinen Grundlinien der Komposition
festhalten und andererseits peinlich durchgeführte
Blätter, die Gemälde des Künstlers genau wieder-
geben. Glaser^) hielt diese letzteren für Nach- und
Werkstattzeichnungen. BockÜ gab die nicht ganz
gleichmäßige Qualität dieser Werke zwar zu, be-
tonte aber, daß man doch an der Möglichkeit, daß
sie vom Künstler selbst herrührten, werde festhal-
ten müssen. Da in allen jenen Fällen, in denen so-
wohl für die vorbereitende Zeichnung als auch für
das ausgeführte Gemälde die Eigenhändigkeit fest-
steht, nicht unerhebliche Abweichungen in Einzel-
heiten festzustellen sind, erscheint es wenig glaub-
haft, daß auch jene Kompositionszeichnungen, die
genau mit Tafelbildern übereinstimmen, vor dem
entsprechenden Tafelbild entstandensind. Wir wer-
den also wohl Glaser Recht geben müssen, der in
ihnen Nachschöpfungen der Werkstatt erkennt.
Von den bis jetzt bekannt gewordenen Bildnissen
des älteren Holbein sind nur zwei datiert, das des
Wiener kunsthistorischen Museums von 1505 und
das beim Grafen Lanckoronski von 1513. Da ich
es nicht für ausgeschlossen halte, daß dieses —
analog der Madonna Alontenuovo — als Wieder-
holung eines früher entstandenen Einzelbildnisses
ohne architektonische Umrahmung anzusehen ist,
möchte ich mit diesem Datum 1513 möglichst
*) Glaser (Hans Holbein d. Ä. Leipzig 1908. S. 207) hat sie zusammen-
gesteiit. Die meisten sind abgebiidet bei His, Hans Hoibein d. A.
Feder- und Silberstiftzeichnungen. Nürnberg, o. J.
-) Hans Hoibein d. A. Seite 209.
I. Seite 47. Nr. 2065.

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