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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0230

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kob*). Aus Beziehungen zum Kaiser dürfte sich das
Zusannnentretfen mit Burgkmair ergeben haben.
Der Zeitpunkt steht dahin. Die Wendung „unter
Papst Alexander" könnte einen inzwischen erfolg-
ten Papstwechsel andeuten. Der Borgia starb 1506,
Trithemius 1516. Die Züge des Dargestellten schei-
nen etwa die eines Fünfzigers zu sein.
Der Oxforder Jünglingskopf (Abb. 152), der leicht
auf Burgkmair zu bestimmen ist, interessiert vor
allem wegen seiner merkwürdigen Ähnlichkeit zu
dem Münchner Schongauer-Bildnis (Abb. 30). Die
Abweichung in der Haartracht tritt im Gesamtein-
druck ganz hinter eine frappante Übereinstim-
mung der Gesichtszüge zurück. Namentlich der
volle Mund mit der hervortretenden Unterlippe, der
Übergang der Augenbraue in den Nasenrücken,
Stirn, Nase (mit sichtlichem Pentiment) und Kinn
gleichen sich unverkennbar. Statt der übergroßen,
charakterlosen und schlechtgestellten Augen aber
hat die Zeichnung lebendige, individuelle. Was eine
nähere Vergleichung sonst noch an Differenzen
hervorheben mag, entspricht durchwegs der For-
mel: was dort matt undunempfunden, ist hier frisch
beobachtet und meisterhaft in der Wiedergabe. Aus
Erfahrung tritt man skeptisch an diese Fälle von
scheinbar überzeugender Ähnlichkeit. Oft spielen
Zeitstil und Zufall stark mit hinein. Hier aber läßt
sich nicht leugnen, daß die Übereinstimmung weit
über die Grenzen des Zufälligen hinaus geht. Zu-
dem behauptet sich das Gefühl, daß man dem
Schongauer Bildnis noch nicht auf den Grund ge-
langt ist. Auffallend bleibt das mangelnde Ver-
ständnis für das Organische, selbst wo man an-
nimmt, daß es sich um die Kopie eines wesentlich
früheren Bildes handelt. Eine Meisterkopie verrät
doch sonst mehr von der Meisterschaft des Ko-
pisten. Man stößt sich ferner an den großen An
fangsmajuskeln der Inschrift auf der Vorderseite
wie an etwas Zeitfremdem. Den Zettel auf der Rück-
*) Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 38 (1894), pp. 626/30. Da-

seite kennt Verfasser nicht aus eigener Anschauung,
die Schriftzüge sohen indes bestimmt eigenhändig
sein. Andrerseits darf als feststehend gelten, daß in
der Oxforder Zeichnung eine Naturstudie vorhegt.
Es ist schwer, diesen Befund befriedigend zu er-
klären.
Von den Blättern, die zu erhaltenen Gemälden in
Beziehungen stehen, ist vor allem wichtig das Tü-
rmer') (Abb. 154). Qualität und Stil weisen über-
zeugend auf Eigenhändigkeit. Der Vortrag ist von
prachtvoll malerischer Breite. So wenig auch ein
Tasten oder Suchen zum Ausdruck käme, ist die
Niederschrift von elementarer Frische. Bei aller
Übereinstimmung mit der Augsburger Tafel (Abb.
153) wahrt die Zeichnung zudem ihre Unabhängig-
keit in Einzelheiten. Zur genauen perspektivischen
Konstruktion ist sie noch nicht vorgeschritten. Mit
wenigen Strichen ist die geweihte Halle angedeutet;
es fehlt der Ausblick auf die Stadt im Hintergrund,
die Bäume und die Herde. Später erhält der eine
Hirte einen Stab, die vorderste Bildebene wird de-
tailreicher durchgearbeitet, das Kind verkleinert.
Weder der Ausdruck staunender Huldigung bei
den Hirten noch die sanfte Demut bei St. Joseph
gewinnt im vorgerückten Stadium der Durchbil-
dung. Das Turiner Blatt ist von reifer Meisterschaft
und selten materialgerechter Wirkung. Das Datum
zu nennen erübrigt sich: die Augsburger Tafel ist
mit der Jahreszahl 1518 versehen.
Das Blatt von Esther vor Ahasverus (Abb. 155),
das sich mit der linken Bildhälfte der Münchner
Tafel von 1528 deckt, kennt Verfasser nicht aus
eigener Anschauung. Es wurde 1920 auf der New-
man Vente in New York versteigert und befindet
sich vermutlich jetzt noch in amerikanischem
Privatbesitz. Soweit sich nach einer verkleinerten
Photographie urteilen läßt, scheint es sich hier
wiederum um eine weitgediehene Studie zu han-
Die Handzeichnungen der k. Bibliothek in Turin (Repertorium, XXII
[1899], p. 13 ff.). Für die Erlangung der Photographie bin ich Herrn
Direktor H. Bodmer in Florenz zu bestem Dank verpflichtet.

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