einer lockeren formalen Einheit. Kind und Mönch
stehen in etwas ikonenhafter Ruhe wie die Heiligen
auf den Melker Tafeln nebeneinander. Der blau-
grün gekleidete Knabe wirkt unmittelbarer: nur
mühsam hält er den Körper auf den Krücken
aufrecht; fein beobachtet ist das müde, schwere,
auf halbem Wege versagende Heben von Kopf und
Hlick, aus dem die Apathie des hoffnungslos Brest-
haften spricht. Der Heilige in seiner feierlichen
Segensgebärde ist mehr Altarschreinfigur. Seelisch
inniger verwächst die andere Gruppe. Der Heilige
neigt sich gütig zu dem Kinde in rotem Män-
telchen herab, so daß sich seine Kutte am Boden
staut und in mächtigen Faltenkurven schwingt,
aus deren Melodie schon das Gefühl hilfreichen
Zuneigens und Mitleidens klingt. Wunderschön
der schüchtern gläubige Ausdruck in dem Kleinen,
der mit steifem Arme seine Mütze weghält und
sich emporreckt, aber dabei sich nicht zu regen
wagt, den Atem anhält und nur sein Gesichtchen
mit dem rührenden Blindenausdruck voll Erwar-
tung des Wunders hinhält. So markant auch für
die Signatur des Künstlers seine Köpfe sind — und
Bernhards Kopf mit seinen wellig ausdrucksvollen
Zügen und Umrissen ist hier wieder ein echter
Breuschädel — so variabel sind sie als Instrumente
des jeweiligen seelischen Geschehens. Wie spricht
nier die Intensität aktiver Güte aus ihm! Wie sich
die nervig sensible Hand in die Augenhöhle
schmiegt, das erinnert an den heilenden Griff des
hl. Cyriakus von Grünewald.
Die zweite Gruppe ist von klösterlichem Gemäuer
umfriedet, die erste steht in der freien Landschaft.
Auch hier wieder das Ineinanderwirken von
Mensch und Landschaft. In den Bäumen der lin-
ken Hälfte herrscht der gleiche Vertikalismus wie
in der Figurengruppe. Rank und gerade stehen sie
da, sowohl die dunkle Kulisse des nahen wie die
feinen Silhouetten der fernen, leise divergierend
gleich den Gestalten, deren kompositionellen Aus-
gleich in der Vertikale sie bewirken. Die Baum-
wipfel über der rechten Gruppe aber neigen sich in
luftigem Wechselspiel, lockern die strenge Verti-
kalität, werden flüssiger und betonen durch ihr
Auseinanderklingen stärker das Zusammenklingen
der Gruppe. Die zarten Baumgestalten, die Erlen,
Hängeweiden und Nadelbäume mit Judenbärten
gleichen denen des Ilerzogenburger Weihnachts-
hildes. Gemsen klettern auf den Felsklippen. Ein
blauer, spiegelnder Bach, die Gruppen des Vorder-
grunds trennend, fließt aus dem Gebirge heraus;
Rehe, aus dem Waldgebüsch kommend, durch-
waten ihn sachte. Unten in der Tiefe angelt Einer
auf einem Holzsteg. Und überall zwischen den
Klippen und über die Höhen fließt Wald mit dem
Wellenrhythmus seiner dunklenBaumkronen, den
nur da und dort ein einsames schwarzes Gehöft
unterbricht.Rötlichgelber Abendhimmel steht über
den Bergen der Ferne, vom See widergespiegelt.
Stimmung und Gestalt der ,,Donauschul"-Land-
schaft sind in ihrem Anbeginn da.
Die nächste Tafel bei geöffneten Flügeln, die Hei-
lung der Besessenen (Abb. 175), ist vom Sturm
feidenschaftlicher Bewegung erfüllt. In reicher,
heller Landschaft geht das Wunder vor sich. Zwei
Männer mit düster gespannten, in der Anstrengung
verbissenen Gesichtern suchen die Rasende zu hän-
digen, die die Hände verkrampft, den Kopf schrei-
end emporwirft, daß er in die charakteristische
Schrägstellung kommt, und von weitem karmin-
rotem Mantelbausch umlodert wird; saftgrün ist
ihr Kleid, mit weißen, grauschattigen Ärmeln.
Düster, unheimlich, dämonisch ist hier alles, die
beiden dunklen Gesellen — der rechte in tief ultra-
marinblauem Wams mit ochsenblutroten Strei-
fen, der linke in schwarzgrünem, mit Krapplack
im Hut — nicht minder wie die bleich von ihnen
abstechende Irrsinnige. Es liegt etwas von dem
dramatischen Sturm der Geißelungs- und Dornen-
krönungsszenen darin,nur nicht so weitausholend,
so zum Reißen gespannt und zerzogen wie diese —
ist ihre Bedeutung als kompositionelle Gebilde doch
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stehen in etwas ikonenhafter Ruhe wie die Heiligen
auf den Melker Tafeln nebeneinander. Der blau-
grün gekleidete Knabe wirkt unmittelbarer: nur
mühsam hält er den Körper auf den Krücken
aufrecht; fein beobachtet ist das müde, schwere,
auf halbem Wege versagende Heben von Kopf und
Hlick, aus dem die Apathie des hoffnungslos Brest-
haften spricht. Der Heilige in seiner feierlichen
Segensgebärde ist mehr Altarschreinfigur. Seelisch
inniger verwächst die andere Gruppe. Der Heilige
neigt sich gütig zu dem Kinde in rotem Män-
telchen herab, so daß sich seine Kutte am Boden
staut und in mächtigen Faltenkurven schwingt,
aus deren Melodie schon das Gefühl hilfreichen
Zuneigens und Mitleidens klingt. Wunderschön
der schüchtern gläubige Ausdruck in dem Kleinen,
der mit steifem Arme seine Mütze weghält und
sich emporreckt, aber dabei sich nicht zu regen
wagt, den Atem anhält und nur sein Gesichtchen
mit dem rührenden Blindenausdruck voll Erwar-
tung des Wunders hinhält. So markant auch für
die Signatur des Künstlers seine Köpfe sind — und
Bernhards Kopf mit seinen wellig ausdrucksvollen
Zügen und Umrissen ist hier wieder ein echter
Breuschädel — so variabel sind sie als Instrumente
des jeweiligen seelischen Geschehens. Wie spricht
nier die Intensität aktiver Güte aus ihm! Wie sich
die nervig sensible Hand in die Augenhöhle
schmiegt, das erinnert an den heilenden Griff des
hl. Cyriakus von Grünewald.
Die zweite Gruppe ist von klösterlichem Gemäuer
umfriedet, die erste steht in der freien Landschaft.
Auch hier wieder das Ineinanderwirken von
Mensch und Landschaft. In den Bäumen der lin-
ken Hälfte herrscht der gleiche Vertikalismus wie
in der Figurengruppe. Rank und gerade stehen sie
da, sowohl die dunkle Kulisse des nahen wie die
feinen Silhouetten der fernen, leise divergierend
gleich den Gestalten, deren kompositionellen Aus-
gleich in der Vertikale sie bewirken. Die Baum-
wipfel über der rechten Gruppe aber neigen sich in
luftigem Wechselspiel, lockern die strenge Verti-
kalität, werden flüssiger und betonen durch ihr
Auseinanderklingen stärker das Zusammenklingen
der Gruppe. Die zarten Baumgestalten, die Erlen,
Hängeweiden und Nadelbäume mit Judenbärten
gleichen denen des Ilerzogenburger Weihnachts-
hildes. Gemsen klettern auf den Felsklippen. Ein
blauer, spiegelnder Bach, die Gruppen des Vorder-
grunds trennend, fließt aus dem Gebirge heraus;
Rehe, aus dem Waldgebüsch kommend, durch-
waten ihn sachte. Unten in der Tiefe angelt Einer
auf einem Holzsteg. Und überall zwischen den
Klippen und über die Höhen fließt Wald mit dem
Wellenrhythmus seiner dunklenBaumkronen, den
nur da und dort ein einsames schwarzes Gehöft
unterbricht.Rötlichgelber Abendhimmel steht über
den Bergen der Ferne, vom See widergespiegelt.
Stimmung und Gestalt der ,,Donauschul"-Land-
schaft sind in ihrem Anbeginn da.
Die nächste Tafel bei geöffneten Flügeln, die Hei-
lung der Besessenen (Abb. 175), ist vom Sturm
feidenschaftlicher Bewegung erfüllt. In reicher,
heller Landschaft geht das Wunder vor sich. Zwei
Männer mit düster gespannten, in der Anstrengung
verbissenen Gesichtern suchen die Rasende zu hän-
digen, die die Hände verkrampft, den Kopf schrei-
end emporwirft, daß er in die charakteristische
Schrägstellung kommt, und von weitem karmin-
rotem Mantelbausch umlodert wird; saftgrün ist
ihr Kleid, mit weißen, grauschattigen Ärmeln.
Düster, unheimlich, dämonisch ist hier alles, die
beiden dunklen Gesellen — der rechte in tief ultra-
marinblauem Wams mit ochsenblutroten Strei-
fen, der linke in schwarzgrünem, mit Krapplack
im Hut — nicht minder wie die bleich von ihnen
abstechende Irrsinnige. Es liegt etwas von dem
dramatischen Sturm der Geißelungs- und Dornen-
krönungsszenen darin,nur nicht so weitausholend,
so zum Reißen gespannt und zerzogen wie diese —
ist ihre Bedeutung als kompositionelle Gebilde doch
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