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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0282

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de! kommt nicht minder häutig heim ahcn Frue-
ant' vor (z. B. (diristus in Gethsemane des Wiener
Altars). Verquetschnngen und starke Untersichten
von Köpfen (die gewisse ,,Flemaller" Verkürzung)
der Himmelfahrt Mariae des Wiener Altars linden
im Xwettler Abschiedshilde und in der Herzogen-
burger Geißelung Nachfolger. Über alle Einzel-
heiten hinaus ist es die monumentale Steigerung
der Bewegung, die vom Wiener Altar zum Xwettler,
Herzogcnburger und Melker hinüberbraust.
1499 schuf der Großgmainer Meister seinen Altar.
Die Maria der Darstellung im Tempel ist eine Vor-
läuferin der Herzogenburger Veronika. Und die
Tempellehre (Abh. 193) mit den vorne auf niedri-
gen Bänken kauernden Schriftgelehrten, mit den
Hachen Bogen der Architektur kann man sich sehr
wohl als Ausgangspunkt der des Melker Altars
denken.
Noch ein Wort bliebe über die Innenraumgliede-
rung auf Xwettler und Herzogcnburger Altar zu
sagen. Der blitzend scharfe Wechsel von hellen
und dunklen Xonen und Streifen auf dem Tod des
hl. Bernhard, die nahsichtige Verschränkung von
Pfeilern, Säulen, Laibungen, Nischen, Durchhrü
eben auf Geißelung und Dornenkrönung, wobei
der Lieh t wert des Gemäuers eine ebenso große
Rolle spielt wie der haptisch stoflliche, weisen
deutlich auf die Interieurs der von Pacher ausge-
henden alpenländischen Malerei. Eine Übernahme
von Pachers empirischem Subjektivismus der
Raumaulfassung war für diese von expressivem
Drängen erfüllten Bilder undenkbar, wohl aber
konnte die farbige Bedeutung der Pacherschen
Art, den Raum zu malen, für sie von Wichtigkeit
sein. Die Raumflucht des Xwettler Kirchenschiffs
hinwieder geht auf den Meister von Großgmain zu-
rück und zwar auf den Tempelgang Mariae in Her-
zogenburg. Dort schon sehen wir das glatte Ge-
wände mit den ernst aufstrebenden Vertikalen der
Dienste, die wie eine ruhige Akkordfolge die
schlichte Melodie der Legende begleiten.
X R

I)ie Voraussetzungen der Kunst des frühen Breu
und des frühen Granach liegen zu gutem Teil in
Österreich. Aus ihrer schwäbischen und frän-
kischen Heimat zugewandert, schallen sie aus
dem, was sie in dem neuen Wirkungskreis an
künstlerischen Gegebenheiten und Möglichkeiten
vorhnden, von dem starken Geiste der neuen Xeit
getragen, eine neue große Kunst. Eine bedeutsame
Rolle spielt bei den Deutschen das den Österrei-
chern fremde Durchdrungensein vom Eeuergeist
der Kunst des jungen Dürer, die ja der stärkste Prä-
ger der die junge Generation um 1590 beseelenden
Stimmung ist. Der Ilelmhuschreiter auf der Her-
zogenburger Kreuzschleppung beweist, daß Breu
damals schon die große Passion gekannt hat. Der
von Dürer ausgehende Meister der Darmstädter
Dominikuslegende hat im Tod des Heiligen eine
der Xwettler Sterbeszene in vieler Hinsicht ver-
wandte Komposition geschaffen; vielleicht liegt
eine unbekannte Dürersche Erfindung beiden zu-
grunde. Hinzutritt das ältere Erbe Schongauers,
aus dessen Passion zwei Gestalten in die Herzo-
genburger Hohenpriesterszene herübergenommen
sind. Urösterreichisch aber ist der wundervolle
Kolorismus und das tiefe Landschaftsgefühl.
Daß zur Schaffung eines neuen Stils ein starkes
Maß persönlicher schöpferischer Begabung nötig
ist, steht außer Frage. Ebensowenig steht außer
Frage, daß der frühe Granach und der frühe Breu
es besaßen. Denn erst die Persönlichkeit hebt das,
was an neuen Möglichkeiten da und dort in An-
klängen sich meldet, mit starkem Griff heraus und
gestaltet es, weithin deutlich sichtbar, zu einem
neuen Werk. Ohne diese Persönlichkeit wäre das
Neue eben doch nicht zustandegekommen. Nur
eine materialistisch orientierte und am Oberflä-
chenbild haftende Kunstforschung sucht ,,direkte
Vorstufen" und ,.unmittelbare Übernahme". Sie
sucht die Leistung der schöpferischen Persönlich-
keit vor ihrem Auftreten. Sie kommt natürlich auf
diese Weise zu keinem Xiel und wartet noch immer

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