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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0374

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gruppeohneviel Federlesens aus zweiKupferstichen
Dürers zusammengebaut. Die bis jetzt noch nicht
Jörg Breu zurückgegebene Tatet (Abb. 255), deren
Kenntnis ich Gabriel von Terey verdanke, betindet
sich in der kürzlich eröll'neten Galerie zu Agram,
die hauptsächlich aus der Sammlung des Bischofs
Stroßmaier gebildet ist. Im Katalog der Sammlung
Stroßmaier wurde die Tafel als Qu. Massys ge
führt. Gegenüber den anderen, lockerer kompo-
nierten, weicher und flüssiger gemalten Fassungen
wirkt das vergleichsweise eng sich an die Dürer-
schcn Kupferstiche haltende Bild etwas befremd-
lich und spröde, wenn auch die Gesamtanlage, die
Art, wie Breu die Gestalt in den Rahmen spannt,
das rechteckige Fenster in die als dunkle Folie
wirkende Mauer bricht und die Hauptlinien der
reich gefüllten Baum- und Felslandschaft mit
der beherrschenden Schräge der hguralen Gruppe
in Beziehung setzt, ein persönliches Gefühl für de-
korative Wirkungen zeigen. Breu entlehnt Maria
und Kind in den wesentlichsten Zügen aus der
,,Maria an der Mauer" von 1514 (B. 40) und fügt
die rechte Hand nicht ungeschickt aus der ,,Maria
mit der Birne" von 1511 (B. 41) hinzu. Aus der
Birne wird ein Apfel, Maria bekommt die etwas
aufdringliche Blickwendung zum Beschauer, die
Physiognomien werden gründlich ,,verbreut". Rot
(Gewand Mariä), Bräunlich (Mantel),Weiß (Kopf-
tuch) herrschen vor. Die frisch hingeschriebene
Landschaft hat ihre nächsten Analogien auf der
Wiener Madonnentafel von 1523. Das knisternd
sich brechende Falten werk erinnert in der manie-
ristisch-elfektvoHen Art der Formbelebung an
die Gewandbehandlung auf den Flügelaußensei-
ten des um 1525 zu datierenden Ursulaaltars
(Abb. 267). Das Bild kündigt bereits jene die
Alterswerke Breus kennzeichnende Verschärfung
und leichte Verhärtung der Formgebung an. Es
ist wahrscheinlich, daß die Tafel nicht vor 1525
entstanden ist, wennschon bei der weitgehenden
Abhängigkeit des Bildes von einem fremden Vor-

bild und der ungleichmäßigen Arbeitsweise Breus
eine genauere Datierung schwer möglich ist.
Die vier Marienbilder sind Beleg für die abstei-
gende Wertkurve der Breuschen Entwicklung.
Immerhin fehlen auch unter den späteren Wer-
ken nicht interessantere und effektvollere Lö-
sungen, wie etwa die kleinen Orgelllügel zu St.
Anna in Augsburg (Abb. 256—261), die bis jetzt
durchwegs zu früh datiert worden sind. Sie lassen
sich durch den datierten Entwurf (Abb. 258) zur
Außenseite des linken Flügels (Abb. 259) auf die
Zeit um 1522 festlegen, wo sie sich stilistisch
zwanglos und sinnvoll einfügend) Das geistvoll
und lebendig gezeichnete Blatt") scheint mir trotz
einiger schwächerer Stellen eine eigenhändige Ar-
beit Breus zu sein, wogegen die beiden Florentiner
Zeichnungen als alte, verhärtende und schwache
Kopien nach den Originalentwürfen (nicht nach
den Tafeln selbst) zu gelten Indien. Die alte Datie-
rung (1522) steht unten neben dem horchenden
Männlein auf dem Steilschnitt des Pflasters, wäh-
rend das Altdorfer-Monogramm und die Jahres-
zahl 1522 auf dem Quader, worauf sich der Jüng-
ling stützt, spätere Zutat sind. Die Ausführung
weicht nicht unerheblich von dem künstlerisch
interessanteren Entwurf ab. Das Räumliche ist
klarer, aber auch nüchterner und kahler gewor
den, das Motiv des horchenden Männleins am Bo-
den wurde unterdrückt, oben anstatt der beweg-
lich sich schlängelnden Wolken die Erscheinung
Gottvaters eingefügt. Die Gestalten kommen pla-
stischer und faßbarer heraus; das lustige Falten-
gekräusel wird geglättet und vereinfacht, die
schrulligen Gesichter der Zeichnung verlieren
durch eine fade und leere Verschönung ihren ab-
sonderlichen Gharakter, kurz die phantasievolle
Zeichnung wird in italienischem Sinne redigiert.
i) Über das Inhaltliche der Darstellungen vergleiche Stiassny, Xeitschr.
f. Christi. Kunst VII (1894), S. 103. Daß die auf einem Flügel vorkom-
mende Jahreszahl 1512 — als terminus post ist die Fertigsteiiung der
großen Orgel (1521) wahrscheinlich — nicht für die Entstehung der
Hiider in Frage kommt, hat Höttger plausibel gemacht.
-) Feder auf braun grundiertem Papier, weiß gehöht; 352X167 mm;
Verst. Outekunst 13. V. 1914 Nr. 82 ,,Hreu".

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