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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0412

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tritt die Bccksche Formemphndung bei der etwas
matten und kraftlosen Innervierung der Hände
oder der sein* charakteristischen Fattengehung
(gläsern schimmernde Lichtgrate, wie in weichen
Ton gedrückte Eintiefungen) zutage. Die Haare
sind säuberlich in parallel geriefeite Strähne ge-
ordnet. Die gleiche Haarstihsierung kommt bei
einigen Köpfen der Augsburger Epiphanie (Page
des rechten Königs) (Ahb. 289) vor. Den tetzten
Zweifel an der Autorschaft Decks müßte (he Farb-
gebung und Matweise beseitigen, vorausgesetzt, daß
man den ht. Georg in Wien und die Augsburger An-
betung ats Arbeiten des Meisters anerkennt. Ein
warmer, harmonischer Gesamtton eint die ktaren,
schönen Farben. Voiles Karmin und tiefes Dunkel-
blau, wenig Grau und Hellblau im Gewand Ghri-
stophs und des Kindes, warmes Hellgrün und Orange
in der Kleidung Katharinas. Das Bild ist llüssig und
frisch gemalt. Der Pinselstrich ist freier und lok-
kerer geworden als auf der Augsburger Heiligen-
tal'el. Die Tafel ist die unmittelbare Vorstufe zu
dem schönsten und wertvollsten Bild des Meisters,
zu dem ,,Drachenkampf St. Georgs" in der Wiener
Galerie (Abh. 287, 288).
DasBild bezeugt, daß Leonhard Beck, der als Zeich-
ner für den Holzschnitt kaum einmal das mittlere
Maß überragte, als Maler mit den Besten seiner
Stadt in die Schranken treten konnte. Ein märchen-
hafter Zauber liegt über dieser wundervoll gemal-
ten Tafel. Die Photographie gibt keinen Begriff von
dem besonderen Wert des Bildes, da sie nur die
Schwächen — und die sind nicht zu verkennen,
trotzdem auch die Formgebung reicher, frischer
und lebendiger als auf den andern Bildern Becks
ist — nicht aber eine Ahnung von dem Wert der
Malerei geben kann. Der Mangel an Temperament
und formaler Energie fällt hier weniger auf. wenn
er sich auch, etwa bei dem geruhig galoppierenden
Pferd oder der etwas starren Hiebgeste des Ritters
nicht ganz verleugnen kann. Überzeugend und ein-
drucksvoll ist die erschlageneDrachenbrut geschil-

dert: das tote Junge, das zwischen bleichendem
Gebein alle Viere von sieb streckt, und die alte tod-
wunde, schwer und hilflos umsinkende Echse. Wie
diese kompositorisch der Vorderhand des Pferdes
und der Bildecke angeglichen ist, wie die beiden
reizvollen Mittelgrundsgruppen eingefügt sind und
das Räumliche mehr instinktiv als verstandes-
mäßig bewältigt ist, da gelingt dem Maler das
Schwere scheinbar mühelos, da wächst Beck über
sein Talent hinaus. Freilich bei näherem Zu-
sehen merkt man, wie einzelne Motive aus
Dürers Graphik entlehnt und mehr oder minder
frei umgewandelt werden. Die Rückentigur des
Ritters auf der Hintergrundszene mit der charak-
teristischen Kopfwendung des fast völlig verkürz-
ten Pferdes ist aus Dürers Holzschnittkreuzigung
(B. 11) geholt, die steif ins Prohl gestellte Jungfrau
daselbst ist sicher von dem Weib auf Dürers Spa-
ziergang (B. 94) angeregt; Aufbau und Einzelhei-
ten (Baumstämme, Farren usw.) der Landschaft
zeigen das eingehende Studium Becks nach Dürers
phantasievoll-reichcn Landschaftsgründen, vorab
nach der vielformigen Burgszenerie des Eusta-
chiusstiches (B. 57) und der Lindwurm ist, zwar
nicht in Lage und Haltung, aber nach seinen zoolo-
gischen Eigentümlichkeiten von dem Drachen auf
dem ,,hl. Georg zu Fuß" (Dürer, B. 53) abhängig.
Der Biegende Engel in der Luft ist olfenbar von
einemManieristen etwa um 1690 eingefügt worden.
Es spricht für Beck, daß man über dem geschlos-
senen, typisch Augsburgischen Gesamteindruck
dieser poesievoll-romantischen Ritterlegende Maxi
milianeischen Gepräges die Dürerschen Reminis-
zenzen kaum bemerkt. Augsburgisch an dem Bild
ist insonderheit das Primat der Farbe. Koloristisch
ist die Tafel aus einem Guß. Es fehlt zwar das edle
Feuer und die tiefe Glut Burgkmairscher Bilder,
der Schmiß und der kraftvolle Zug Breu'scher Ma-
lereien, die buntschillernde Leuchtkraft Aptscher
Tafeln, — dennoch hält sich das Bild als Malerei
neben den Malwerken der reicher begabten Stadt-

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