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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0450

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das wenig Einheitliche, mit der die beiden Knechte
und der Zuschauer in die Komposition einbezogen
sind. Bei den oberitahenischen Malern und hei
Moderno begegnen wir denn auch der gleichen
Ponderation wie bei dem Schmerzensmann der
Altargruppe und dem Christus des kleinen Reliefs.
Dieser italienisierenden Art der beiden Passions-
szenen schließt sich nun noch ein weiteres Werk
an, in dem Ernst Kris und Louis Sponsel unab-
hängig von einander die Hand des Meisters er-
kannten und auf dessen Zugehörigkeit zu Dau-
chers Opus mich auch *j* Max Hauttmann hinwies,
leider zu spät, als daß ich es noch meiner Abhand-
lung in den Fuggerstudien hätte einfügen können.
Es ist das Marmorrelief der Beweinung Christi,
das in den oberen ädikulaartigen Aufbau des Por-
tals der Ceorgenkapelle im Dom zu Meißen einge-
lassen ist (Abb.315). Sponsel macht glaubhaft, daß
es sich um ein zweites Werk handelt, das mit den
Werkstücken des Annaberger Altares nach Sachsen
verbracht wurde, und ursprünglich in dem Jagd-
schloß Schellenberg bei Annaherg Aufstellung
hätte ßnden sollen, dann aber nach Meißen über-
führt wurde.
Die Beziehungen zu der Freigruppe und dem klei-
nen Relief der Geißelung sind klar ersichtlich.
Wenn das Meißener Relief auch nichts von jener
Freiheit künstlerischen Ausdrucks wie die Frei-

gruppe atmet — das mag zum Teil ihren Grund in
der Reliefgestaltung haben — so erkennen wir doch
in der Modellierung des ,,zerbrochenen" Tho-
rax, in der Lässigkeit der Arme, in dem Typ des
Christuskopfes mit dem müde geöffneten Mund
die gleichen Ausdrucksformen. Nicht ganz dage-
gen wollen sich die Assistenzfiguren des Reliefs
mit jenen der Freigruppe decken. Mir will schei-
nen, als ob hier eine andere Hand mit am Werke
war. War es die des jüngeren Daucher oder Viktor
Kaysers, mit dessen Epitaph in St. Moritz in Augs-
burg sich gemeinsame Züge ergeben? Jedenfalls
besteht kaum ein Zweifel über die Herkunft des
Reliefs aus der Werkstatt Adolf Dauchers. Dafür
sprechen auch die architektonischen Einzelheiten
des Portals, namentlich die übereck gestellten Ka-
pitelle.
Der bildliche Ausschnitt des Reliefs ist ausgespro-
chen oberitalienisch und man geht nicht fehl,
wenn man die Halbfiguren-Komposition unmittel-
bar auf Anregungen aus dem Werk Giovanni Bel
linis, etwa auf das Bild in der Mailänder Brera
zurückführt. Damit haben wir einen neuen Beleg
für den Einfluß Oheritaliens auf den Daucher-
kreis, wie wir ihn schon mehrfach in der Fugger-
kapelle erkannt haben und wie er sich in Namen
wie Lombardi, Riccio, Moderno, Nicoletto da Mo-
dena verkörpert.

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