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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0459

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mit der Darstellung einer Pieta (H. 63, B. 47 cm):
zwei Figuren in höchster Knappheit der Aufwan-
des (Abb. 321). Der Körper Christi bildet sich ge-
nau übereinstimmend auf einem Werke Dauchcrs,
einer Pieta in der Georgskapelle des Domes zu
Meißen, die ich dem Künstler vor einigen Jahren
xuweisen konnte*) (Abh. 315). Das Dauchersche
Werk zeugt von dem Eindrücke einer hcbinesken
Komposition; doch es wih nicht getingen, eine be-
stimmte Vorlage zu ermitteln. Wir dürfen anneh-
men, daß auch hier, wie hei der Augsburger Altar-
gruppe eine freie Übersetzung, eine geistige Ver-
arbeitung stattgefunden hat. Am Rhythmus des
Aufbaues, vor allem an den Gestalten der Maria
und des Johannes, wird die staunenswerte Meister-
schaft dieser Transponierung fühlbar. Die stilisti-
sche Beziehung zum Altar in St. Anna ist so enge,
daß man das Meißner Relief gerne in die gleiche
Zeit setzte. Doch läßt urkundliches Material, das
kürzlich Sponsel bekannt gemacht hat, eine etwas
spätere Datierung (vor Beginn der Arbeit am Anna-
berger Altar) empfehlenswert erscheinen").
Die Übereinstimmung mit dem Terracotta-Relief
könnte man durch das Vorhandensein einer ge-
meinsamen Vorlage erklären, doch spricht die
Ähnlichkeit jener Details, die durch Stilvergleich
als künstlerische Eigenheiten der Daucherschen
Handschrift gesichert sind, nicht eben dafür. Eine
einfachere Erklärung wäre es, an die Kopie eines
Schülers zu denken.
In jedem Fall ist es bedeutsam, daß auf dem Terra-
cotta-Relief das Motiv völlig anders verwendet ist.
An Stelle der Breite und Ruhe der Daucherschen
i) Zeitschrift für bildende Kunst, 1922 S. 49 ff.
-) Belvedere, II. S. 59.

Komposition tritt Enge und Spannung, gesteigerter
Affekt und gesteigerte Bewegung. Die Stellung im
Raum, die Faltenführung dienen dieser neuen
Auffassung.
Einzelheiten der Formensprache ermöglichen die
nähere stilistische Einreihung des Reliefs und diese
wieder unterstützt die Vermutung einer unmittel-
baren Beziehung zu Adolf Daucher. Denn etwa die
Faltenführung am Lendentuch Ghristi und der
Kopftypus Mariae gemahnen an eine Gruppe von
Reliefs im Stuttgarter Museum, die Halm in die
Nähe Dauchers gerückt hat, während Baum auf
Beziehungen zu Jörg Kaendel hinwies''). So ist
um 1520 der Stil, der eben noch neu war, wieder
veraltet und überwunden. Die deutsche Kunst
schlägt eine Entwickhingsbahn ein, die enge ver-
wandt ist mit den gleichzeitigen künstlerischen
Tendenzen südlich der Alpen. Wie Baidung und
Granach und auf seine Art der alternde Dürer
ihre Renaissanceperiode überwinden, so hat sich
auch in Adolf Dauchers Kunst der Stil, den die
große Begeisterung geschallen hatte, bald an die
gotische Erbschaft angepaßt. Aus diesem Kreise
und aus diesem Stilgefühl — im Grunde demsel-
ben, dem der spätgotische Barock im Werk eines
Leinberger entwächst — ist dann der Manieris-
mus eines Peter Flötner hervorgegangen.
Die kurze Höhe des deutschen Cinquecento und
jener Stil Dauchers ,,che rassemhla al antiquogran-
dimente" liegt zwischen Spätgotik und Neugotik,
zwischen Vergangenheit und Zukunft deutscher
Eigenart*).
3) Haim !n ,,Kalender bayr. und schwäbischer Kunst, 1918", Baum,
Deutsche Bildwerke Nr. 152—155.

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