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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0470

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Wir sind darüber eingehend unterrichtet durch
den Zeichner seihst. Dieser widmet die Blätter
handschriftlich seiner Mutter. Die in gut gemein-
ten, aber schlecht gereimten Versen gehaltene Wid-
mung steht auf der Rückseite von Blatt 1 in einem
Rahmenwerk im Geschmack der niederländischen
Renaissance; durch den Stadtpyr und die Jahres-
zahl MDLXXXVI1 wird die Handschrift nach Ort
und Zeit fixiert. Die Lesung der etwas verwischten
Tintenschrift wird erleichtert durch eine, von einer


Abb. 328. Bildnis des Malers Ludwig
geübten Hand des frühen 17. Jahrhunderts her-
rührende Abschrift, die sich auf der Rückseite
der (neueren) Folie von Blatt 11 findet: ,,Weillen
diese Schrift", bemerkt der Abschreiber, ,,alt und
nicht Wohl zu lesen, Als habe ich solche hieher
geschrieben, doch nach der alten Reim- und
Schreib Art". In derTat ist die Kopie fast fehlerlos.
Mit ein paar Reimen, die in Form einer Schrift-
kartouche das Ganze abschließen, stellt sich der
Autor und Schreiber selbst vor.
,,Anno 1558 Bin ich gebohren,
Ludwig in der Tauf genannt woren,
im zweiten Jar gen Augsburg bin kommen,
im fünften Herr Merck mich aufgnomen,
23 Jar alt war ich eben
als ich mich zum Mallen begeben,
und dies ist hier mein gestalt,
bin itz achtundzwanzig Jar alt."
Inmitten dieser Schrift erscheint gleichsam als

Schlußvignette sein Bild in Medaillonform, mit der
Jahreszahl MDLXXXY und dem Monogramm NR
bezeichnet; ein bartloser junger Mann, dessen
etwas naiver, um nicht zu sagen, insipider Ge-
sichtsausdruck seiner Reimerei etwa entspricht
(Abb. 328).
Eine kurze Vorbemerkung zu der Widmung selbst
führt sogleich in die Entstehung der Bilderhand-
schrift ein: ,,Weil ich dem kosther (Kostherrn) —
offenbar ist der vorgenannte Herr Merck gemeint—
Einige Blat wahren Christlichen Condrafet Rüm:
Kayser, Gurfürsten, hiesiger Ratsherrn und Ktirch-
Pröbsten Geschenckt, so wifl ich der Muetter
Einige groß Blat von hiesigen Geistlichen schen-
cken, dazu ich der Muetter mein Abbildung ge-
macht ..."
Es folgen neunzig Verse in zwei Kolumnen. Der
Schreiber erklärt darin, wie er im Jahre 1560 als
zweijähriges Kind nach Augsburg gekommen, wie
ihm bald darauf der Tod seinen erst 47 Jahre
aften Vater geraubt habe, worauf er von einem
reichen Manne, ,,Herr Merck genannt", an Kindes-
statt angenommen worden sei. Dieser sein Pflege-
vater, der als kinderloser Witwer lebte, hat ihm
viel Gunst erwiesen und jetzt eben im Jahre 1587
ist er im Begriff, ihn nach Zürich zu einem Maler
in die Lehre zu schicken:
,,Dort wifl er mich studieren lan,
Bey einem Man, der waß Kan,
Dafür woll geben dem Herrn Merck
Gott Gesundtheit und Sterck
Und laß ihm seine Graue Haar
Tragen noch viel Lange Jahr."
Der angehende Maler erzählt weiter, daß sein
Schutzpatron gleich wie dessen seliger Schwäher
(Schwiegervater) — ,,deß ich gedenck in aller
Ehr" — eine besondere Liebe zu aller freier Kunst
bei sich getragen. Merck habe das Werk dieses sei-
nes gleichgesinnten Schwiegervaters würdig fort-
gesetzt, indem er die Menschen, die ihm im Leben
lieb gewesen, in Wachs bossieren ließ, worauf er

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