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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0477

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möglich, daß das Originalwachsmodell sich in
Mercks Besitz befand und dem Zeichner vorlag.
In diesem Falle wäre allerdings in der Zeichnung
eine Vereinfachung der Umschrift nach Maßgabe
der übrigen Stücke vorgenommen worden. Auch
sonst mögen einzelne Medaillen oder Medaillen-
Modelle dem Zeichner zur Hand gewesen sein.
Augenscheinlich waren die Wachsbildnisse, wie
üblich, auf Schiefer aufgesetzt. Bei eine m Stück
ist der Rand etwas ausgebrochen, was der Zeichner
getreulich wiedergibt. Ob das Wachs bemalt oder
unbemalt war, läßt sich bei der monochromen Wie-
dergabe in Tusche natürlich nicht sagen. Die oben
(S. 449) erwähnten Wachsmodelle von Drentwett
sind leicht koloriert, und darnach ließe sich die vor-
liegende Serie ebenfalls polychrom vorstellen. Im
Ganzen ist der Eindruck der stereotyp im Dreivier-
telprotil wiederkehrenden Brustbilder mit samt den
halbkreisförmigen Namensaufschriften monoton
genug. Indeß, was wir hier vor uns sehen, ist doch
nicht mehr und nicht weniger als eine ganze Por-
trätgalerie der hervorragendsten Persönlichkeiten
der AugsburgerReformationsgeschichte von authen-
tischer Bedeutung. Dabei treten die Parteigänger
der alten Kirche hinter der protestantischen Geist-
lichkeit auffallend zurück. Diese Auswahl ist in den
Zeitverhältnissen begründeten den konfessionellen
Wirren, die das damalige Augsburg aufs Tiefste
aufwühlten und die unter dem Namen des Kalen-
derstreits bekannt sind. 1586, also gerade in der
Kntstehungszeit unserer Zeichnungen, hatte der
Konflikt zwischen dem katholischen Rat und den

Protestanten mit der Vertreibung zahlreicher evan
gehscher Geistlicher den Höhepunkt erreicht, nach-
dem schon kurz vorher das Haupt der Bewegung,
der allgemein verehrte Rector Collegii Evangelici,
der oben erwähnte Georg Mylius, gewaltsam aus
der Stadt entfernt worden war. Auf welcher Seite
der Schreiber und Zeichner unserer Handschrift
stand, darüber läßt der oben angeführte antipapi-
stische Stoßseufzer, mit dem er seine gereimte
Widmung beschließt, keinen Zweifel. War der An-
laß zur Entstehung der Blätter auch ein familiärer,
so ist der Hintergrund, auf dem die Bildnisse stehen,
doch ein politisch-konfessioneller.
Die vier Blätter befanden sich bis gegen Mitte des
XVIII. Jahrhunderts in Augsburg, nämlich im Be-
sitz des Kupferstechers Gottlieb HeilT). Aus sei-
nem Nachlaß wurden sie hervorgezogen und bil-
deten dann die Unterlage für das 1749 von dem
Augsburger Kupferstecher Joseph Gottfried Rein
herausgegebene Kupferwerk ,,Das gesamte Augs-
burgische Evangelische Ministerium in Bildern
und Schrillten"'). Sogar die Reihenfolge ist hier
teilweise beibehalten; auch die Künstlersignaturen
sind zum Teil wiedergegeben. Die Brustbilder er-
scheinen in den Rein'schen Schabkunstblättern zu
Halbhguren ergänzt. Jetzt ist dieBilderhandschrift
in den Besitz der Staatsbibliothek in München
übergegangen und als God. germ. 7228 in die Ab-
teilung der Handschriften eingereiht.
*) Gotttieb Heiß, gest. 1740.
-) Die Einieitung (S. 2) sprießt aiierdings nur von zwei Bogen, sei
es, (laß Rein irrt oder daß er die vier Biätter zu zwei Bogen rechnet. —
Ich verdanke den Hinweis auf diese Steiie einer Notiz von Prof.

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