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Buchner, Ernst [Editor]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0487

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lernen, um die Auswertung durch den Autor stets
nachprüfen zu können. Der Schluß würde die Zu-
sammenfassung sein, die Krautheimer in seiner
Einleitung gebracht hat. Es wäre erst dann ver-
ständlich, weshalb Krautheimer sich zu der per-
sönlichen Auseinandersetzung mit dem System
Erankls veranlaßt fühlt. Durch die Anordnung
aber, die Krautheimer seiner Untersuchung gege-
ben bat, ist er gezwungen, dem Leser mit einer
Wiederholung der Methode seines Lehrers entge-
genzutreten. Dieser Umstand wirkt fröstelnd auf
den Leser, auch wenn Krautheimer nicht vollkom-
men in die Fußtapfen seines Lehrers treten will.
Das Schlußkapitel Krautheimers, in dem er die
kulturelle Seite der Bettelorden behandelt, hätte
man gern — als Einleitung — zuerst kennen ge-
lernt, um die Verhältnisse übersehen zu können,
aus denen heraus die Bettelordenskirchen entstan-
den sind.
Die außerordentliche Schwierigkeit der Aufgabe,
die sich Krautheimer gestellt hat, liegt in der un-
klaren Haltung der Bettelorden bei dem Bau ihrer
Kirchen. Feststeht ihre Armutstendenz und damit
ihre Abneigung gegen die reichen Formen der
Hochgotik, wodurch den frühen Bauten oft eine
unvollkommene, weil doch stets zeitgemäß gefärb-
te, romanische Haltung eigen ist. Die Deutung als
,,Ausdruck des rückwärtsgerichteten Wollens"
wirkt außerordentlich gesteigert, weil flach ge-
deckte Bettelordenskirchen besonders in Süd-
deutschland namhaft gemacht werden können, wo
die Flachdecke (und der Querschiffausfall) auch
außerhalb der Bettelordensarchitektur aus der Tra-
dition des 12. Jahrhunderts gebräuchlich blieb.
Das Hauptbeispiel für den ,,Rückgriff auf Vorro-
manisches" bildet die Dominikanerkirche zu Kon-
stanz (vor ungefähr 1275, erste Niederlassung 1236).
,,Das Seltsamste sind die achtseitigen Wiirfelkapi
teile des Langhauses mit Doppelschildchen, die
völlig denen des Konstanzer Münsters gleichen"
(nach 1052). ,,Nur die Stellung der Kapitelle —

senkrecht zur Längsachse des Mittelschiffes statt
parallel zu ihr — ist verändert. Aus dieser Um-
stellung, so unbedeutend sie scheinen mag, spricht
das neue gotische Gefühl. Das archaische Motiv er-
fährt eine Umdeutung: die Ecke stößt afrontal ins
Mittelschiff." Diese Beobachtung erfahrt durch die
Tatsache eine Einschränkung, daß genau das glei-
che Kapitell in derselben Stellung wie in der Domi-
nikanerkirche auch in St. Georg zu Stein am Rhein
während des 12. Jahrhunderts vorkommt. Es
scheint, daß sich die Dominikaner an die Bauge-
wohnheiten des Gebietes hielten, wie es Krauthei-
mer auch sonst für ,,die ersten Bettelordenskirchen
— vor der Mitte des 13. Jahrhunderts " nach-
weist. Die ,,vorromanische Grundhaltung" kann
also nicht ,,einwandfrei" nachgewiesen werden,
sondern bezeichnet die Laxheit, mit der die Bettel-
orden beim Bau ihrer Kirchen zu Wege gingen.
Es war zu entscheiden, ob diese ablehnende Ein-
stellung stark genug gewesen ist, um zu einem tat-
sächlichen Wollen zu werden, das wirklich Neues
schuf und die allgemeineEntwicklung beeinflussen
konnte. Die Untersuchungen Krautheimers möch-
ten diese Bedeutung den Bettelordenskirchen zu-
schreiben. Aber die Beweisführung muß zugeben,
daß eine gerade Entwicklungslinie sich nicht fest-
stellen läßt:,,Es erscheint im höchsten Gradeeigen-
tümlich, daß die älteste Kirche der Bettelorden in
Süddeutschland (von Konstanz abgesehen) ein Ge-
wölbebau ist. Der logische Ablauf wäre zweifellos
der, daß der Typus der vorromanischen Kirchen,
der sich in Süddeutschland länger als anderswo
gehalten hatte, zuerst von den flachgedeckten Kir-
chen der Orden aufgenommen und erst später vom
Gewölbe ergriffen wird.",,Die stilistische und chro-
nologische Abfolge schiebt sich um wenige Jahre
— im höchsten Falle zehn — aneinander vorbei."
Diese Unentschiedenheit in der frühen Bautätig-
keit der Bettelorden soll sich in der 2. Phase (rund
1280) zu einer Umbildung der vorromanischen
Haltung ins Spätgotische klären. Das scheint bei

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