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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0082

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68

Das Mittelalter.

So schließt auch dieses Epos mit der Hoffnung des Volks
auf eine schönere Zukunft, während die Gegenwart trüb und ernst,
und wenn Herder eine Klage der Leibeigenen mittheilt, so läßt
schon unser Epos die drei Heldenbrüder am Strande niedersitzen
und der in die Wellen versinkenden Abendsonne uachschauen mit
düsterer Trauer um die verlorene Mutter.
Muntrer Wellen Schaukelspielen, Wassers schönes Wirbelkreisen,
Sternesauge hoch am Himmel, Mond und Sonn' in heitrem Glanze
Fragen nicht nach unsrer Freude, nicht nach unserm Seelenschmerze.
Welle rollet hinter Welle, wälzt sich an das Felsenufer,
Bricht zu Schaum sich an den Felsen, muß als Wasserstaub zerstieben,
Doch sie bringet keine Kunde, keine Antwort je dem Frager.
Unsers Lebens kleine Wellen rollen in der Abendkühle
Schwankend gegen Kalma's Hügel unter Grabes Rasendecke.
Sternesauge blickt vom Himmel, Mondesauge aus der Höhe,
Sonne strahlt mit heitrem Antlitz auf die Sterbenden, die Tobten.
Aber Sprache hat das Grab nicht, Wort ist nie in Sternes Munde,
Mond verstehet nicht zu reden, auch die Sonne kann nichts künden,
Nicht dem Frager Antwort geben.

0. Das Kelteuthum.
Die Kelten sind durch die vergleichende Sprachforschung sicher
an die Arier angeschlossen; aber das Band ist lockerer als das
welches Griechen an Indier, Slawen an Germanen knüpft; statt
der organischen Formenfülle des Sanskrit drückt das Keltische
die Beziehung der Wörter mitunter noch unmittelbar durch ihre
Stellung aus und bewahrt die Beugeendungen der Nenn- und
Zeitwörter auch noch als ganz oder halb selbständige Präpositio-
nen, Verba und Pronomina, sodaß wir die Sprache selbst ans
einer Uebergangsstufe erblicken, und folgern daß die Kelten früher
als jene überschritten ward ans der gemeinsamen Heimat auf-
gebrochen. Dem entspricht es wenn bereits die Phönizier sie
tausend Jahre vor Christus im heutigen Frankreich finden, wenn
vier Jahrhunderte später Pelta, die Tochter Nan's, dem Hellenen
Eupenes die Trinkschale reicht um den schönen Fremdling zum
Bräutigam zu erküren, und dann die Phokäer, vor der Perser-
macht um der Freiheit willen auswandernd, die Rebe, den Oel-
baum und die Buchstabenschrift zum Gastgeschenk bieten und Mas-
silia gründen. Von Frankreich aus setzten Keltenzüge nach Eng-
 
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