Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0387

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die mittelalterliche Musik.

373

abfordert. Ein Tedeum schließt das Drama, in welchem ein Keim
zu unserm Faust enthalten ist.
Durch die Genossenschaften für Schauspiele, die sich schon
im 13. Jahrhundert in Paris wie in Chester und Coventry bil-
deten, entstanden stehende Bühnen, und kam das Drama in die
Hände des Bürgerthums; den Aufschwung den es mit demselben
nahm werden wir später betrachten.

Die Mittelnlterltchc Musik.
Karl der Große war ein Freund des Gesanges gewesen, und
um die kirchliche Musik zu pflegen und die Einheit des Ritus
zu bewahren hatte er Franken nach Rom gesandt und römische
Singlehrer berufen; in Metz, in Soisson, in Sauet Gallen waren
Schulen entstanden, wo die altehrwürdigen Weisen des Gregoria-
nischen Gesanges eingeübt und neue nachgebildet wurden. Je mehr
die Geistlichen den von Instrumenten begleiteten Kirchengesang
knnst- und regelrecht ansführten, desto mehr ward die Gemeinde
auf die refrainartigen Wiederholungen des Kyrie eleison oder
Halleluja beschränkt, wußte sich aber durch Dehnung der Silben
oder durch eingelegte und angeknüpfte wortlose Gesühlsergüsse in
Tönen etwas zu entschädigen, die, weil sie den Worten folgten,
Sequenzen genannt wurden. Diesen Modulationen wurden dann
wieder Texte untergelegt, und weil sie ohne Rücksicht auf. Vers-
maß und Reim den Tonreihen und ihrer Bewegung sich an-
schlossen, hießen sie Prosen. Sie bestanden ans mehrern melo-
dischen Sätzen, welche unmittelbar oder nach einer Einschiebung
wiederholt wurden, und alle ganz gleiche oder ähnliche Schluß-
cadenzen hatten. Notker Balbulus wird als ein Meister dieser
Weise genannt. In dieser Abhängigkeit von der Musik begeg-
neten die Prosen dem volksthümlichen Tanzlied oder Leich, und
beide wurden nun zu Processionen, vor dem Kampf und auf
Wallfahrten gesungen; sie standen wie freie Naturpoesie den Wer-
ken der Kunst und Schule zur Seite. Und wie in ihnen die
neuen Volksgeister sich regten und bewegten und ihr Selbstge-
fühl laut werden ließen, so entsprach der Gregorianische Gesang
 
Annotationen