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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0293

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Das französische Volksepos.

279

Wir betrachten die vorzüglichsten Werke die uns ans den ver-
schiedenen Kreisen und Ländern erhalten sind.

Das französische l-olksepos. Nolandslied und
Albigenserkriege.
Als die Franken jenseit des Rheins die romanische Sprache
und das Christenthum angenommen, verhallten die alten Götter-
und Heldenlieder; aber die Erinnerung an ihre eigenen Groß-
thaten ans dem neueroberten Boden pflanzte sich in die neue
Sprache fort, Karl der Große ward, wie wir bereits gesehen, der
Mittelpunkt eines Sagenkreises und neben ihn trat Wilhelm von
Toulouse, dessen Geschichte gleichfalls der Kern ward an welche
die Manrenkämpfe Otto's von Aquitanien und Wilhelm's von
Provence sich anfügten, und wie er ein Vasall von unwandelbarer
Treue war, so ging im Volksmund das auf ihn über was zwei
Normannenherzoge für die Rechte des unerwachsenen Ludwig Trans-
marinns gethan.
Schon der geistliche Chronist Lambert von Ardre unterschei-
det in Frankreich von Schwänken und Legenden Gedichte welche
Heldenhäuser verherrlichen, und welche Ritterabenteuer erzählen.
Die erstern sind eben volksthümlich fränkischer Art, die eigenen
Erlebnisse werden hier durch die Einbildungskraft gestaltet und
durch fahrende Sänger von Geschlecht zu Geschlecht überliefert
und ansgebildet: Ollnimoim äs ^ssts ist ihr Name. Esstm be-
deutet zunächst die Heldenthat und den Bericht über sie, also Ge-
schichte. Dann aber bezeichnet das Wort auch den Begriff von
Haus oder Stamm. Der Familiengeist, der im Geschlecht waltet,
knüpft die Thaten der Vergangenheit an die Gegenwart, der Sinn
der Aeltern lebt in den Kindern fort, es ist ein Stamm der die
gleichartigen Zweige treibt, der Thatenschatz des Hauses kommt
dem einzelnen zugute. Das Haus der Karolinger, das Geschlecht
Haimon's, der Stamm des Mainzers Doon, ihre Thaten und
Geschicke werden in den elmimorm äs Assts besungen.
Ob es Geistliche oder Laien waren die den Uebergang von
lyrisch gehaltenen Liedern zur epischen Erzählung vollzogen, in-
 
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