Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0241

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kreuzzüge und ihre Folgen für Staat und Kirche. 227
Zu dem Ursprung wiederkehrend, vom Vergänglichen befreit,
Scharm sie nun die gegenwärt'ge Wahrheit ohne Schleierkleid,
Trinken aus lebend'gen Quellen urgeborne Süßigkeit.
Trinken Kraft der ew'gen Jugend, denn das Sterben selber starb,
Blühn und grünen unverkümmert, das Verderben ja verdarb;
Tod ist in den Sieg verschlungen, den das Leben sich erwarb.
Nun sie kennen den Allweisen, was ist ihnen unbekannt?
Liegt das Innerste der Dinge offenkundig dem Verstand;
Und sie wollen was sie sollen, einig in der Liebe Band.
Und wenn jeder gleich der eignen Arbeit Früchte ernten muß,
Beut die Liebe doch den andern freudig ihren Uebersluß,
Und so wird was einem eignet allen andern zum Genuß.
Aus melod'schen Stimmen quillet immer neue Melodie,
Und von Flöten und von Harfen schwillt der Strom der Harmonie,
Wie sie singen Preis dem König, der den Sieg, das Heil verlieh.
Selig, selig ist die Seele, die vor ihrem König steht,
Unter deren Füßen unten sich des Weltalls Achse dreht,
Sonn' und Mond mit den Gestirnen ferne still vorübergeht.

Die ÄreuWge und ihre Folgen für Staat und Kirche.
Gregor VII. hatte nicht blos die Geistlichen wie eine feu-
dale Gefolgschaft des Papstes geordnet und gegliedert; sie sollten
auch als die Streiter Gottes in weltlichen Dingen die Entschei-
dung geben, nnd er gedachte die Kraft des Westens zu sammeln,
und selber sie zur Unterwerfung des Ostens, zur Eroberung des
heiligen Grabes zu führen. Der Aufruf zu den Kreuzzügeu er-
ging auch von der Kirche ans durch Urban II-, aber die Leitung
und Ausführung ward Sache des Ritterthums. Im Zusammen-
wirken von Staat und Kirche fand das Mittelalter seinen Höhe-
punkt, nnd deutlicher, glänzender denn irgend sonst traten Gemüth
und Phantasie als die treibenden Mächte der Zeit hervor. Die
fromme Wallfahrt ward zum bewaffneten Heereszug, der recken-
hafte Thatendraug stellte sich in den Dienst der religiösen Idee;
man konnte die Schätze des Orients erbeuten indem man ein
gottgefälliges Werk thnt; der Wandertrieb, die Abenteuerlust der
15*
 
Annotationen