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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0192

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178

Das Mittelalter.

nen Bestimmungen; wir würden dem Gegenstände sonst nicht ge-
recht werden, wollten wir ihn am Maßstab der Antike niesten lind
gleich ihr behandeln.

Die GrültdulUl des deutschen Äcnserchums und der
römischen Hierarchie.

Der germanische Freiheitstrieb hat nicht blos die von Karl
dem Großen unternommene Erneuerung der römischen Welt-
monarchie wieder aufgelöst, er drohte auch die Nation selbst in
Stämme, in kleine Genossenschaften zu zersplittern und in innern
Kämpfen aufznreiben; es ist bezeichnend daß das Volk in seinen
Sagen und Liedern Partei nahm für die Herzoge, die den Karo-
lingern und der Kirche gegenüber trachteten ihre Macht als ge-
wählte oder angestammte Führer einzelner Landschaften zu be-
haupten. Da drängten die Ranbzüge der Dänen und Wenden,
die Angriffe der ungarischen Horden zur Einigung, und die Her-
zoge erkoren sich selbst ein Oberhaupt. Heinrich von Sachsen'
ward der Gründer eines deutschen Reichs, einer deutschen Nation;
das Volk fühlte sich als Ganzes, das Reich beruhte nicht auf der
Besonderheit eines herrschenden Stammes, sondern aus den ge-
meinsamen Interessen aller Deutschen. Klaren Blicks und festen
Mnthes als echter Staatsmann ans das Erreichbare gerichtet, so
tapfer als mild und weise wußte er mit Schwert und Wort die
Gemüther zu einigen; zu Schutz und Trutz gegen die Feinde er-
richtete er ein Reiterheer, baute er Burgen, und legte dadurch
den Grund für das Ritter- und Bürgerthnm; Städte entstanden
zur Wehr gegen die Fremden, um bald Mittelpunkt des friedlichen
Lebens zu werden, indem die Gerichtstage und Volksversammlungen
innerhalb ihrer Mauern gehalten wurden und Handel und Gewerbe
einen gesicherten Sitz fanden. Die Sage läßt den König am Vo-
gelherde die Reichskleinode empfangen; in der That verstand er die
Netze zu spannen in denen das deutsche Volk zusammengehalten und
seine Feinde gefangen wurden. Es war der germanische Gedanke
deö Bundesstaates der ihn beseelte: jeder Stamm sollte seine innern
Angelegenheiten selbst verwalten unter einem Herzog, dem die
 
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