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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0193

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Das deutsche Kaiserthum und die römische Hierarchie. 179
Grafen und Herren mit ihrem Gefolge in Krieg und Frieden
zur Seite standen, der König sollte als Schirmherr und Führer
des ganzen Volks dessen Kraft für gemeinsame Zwecke nach innen
und außen znsammensassen „wie der Goldreif die Juwelen zur
Krone bindet". Der Sieg über die Wenden, Dänen, Ungarn
weihte das Werk und befreite das Vaterland von den fremden
Räubern.
Heinrich sicherte seinem hochstrebenden Sohne Otto die Nach-
folge. Dieser schlug nicht blos die alten Feinde von neuem zurück,
er erweiterte auch die Marken des Reichs nach Morgen hin, und
so begann die Germanisirung des Landes östlich der Elbe, wo spä-
ter der deutsche Staat einen neuen Ansgang und Mittelpunkt ge-
winnen sollte. Otto hielt nicht blos die Einheit des Vaterlandes
in der Macht des Oberhauptes fest, er wußte auch die Herzoge
als Reichsbeamte sich unterzuordnen und als Reichsstände bera-
thend zur Seite zu stellen. Das geschah unter heißen Kämpfen,
die das alte tragische Hildebrandslied wie noch oft in Deutschland
im Streit zwischen Vater und Sohn als eine poetische Weis-
sagung erscheinen ließen. Doch Otto verstand zu überwinden und
zu versöhnen. Waren Klöster bisher einsame Culturherde, so ward
nun auch der Hof eine Stätte der Bildung; denn Otto erkannte
daß Bildung Macht ist, nothwendig ist zur Leitung eines großen
Volks. Brun, der jüngste Bruder Otto's, leuchtete als Heller
Stern voran; er schrieb und sprach das Lateinische, er ward Geist-
licher, er leitete die Kanzlei des Reichs, und. blieb den gelehrter:
Studien ergeben, ja er sammelte schon Griechen um sich, und zürn
zweiten mal kamen schon irische Mönche über das Meer. Gleich
Brun traten wissenschaftlich geschulte Priester an die Spitze der
Bisthümer, und gerade sie gaben sich der Sorge für das Ganze
hin, vertraten die nationalen Ideen und standen dem König bei,
während die weltlichen Herzoge, in den Erblanden wurzelnd, vor-
nehmlich deren Sonderinteresse im Auge hatten. Wenn wir auch
mit Giesebrecht die Ansicht eine Phantasterei nennen daß der
Krummstab die Einheit des deutschen Volks geschaffen habe, da es
das Schwert und der Geist gethan, so läßt sich doch nicht leugnen
daß in dieser Zeit kirchlich-lateinischer Bildung auch das Reichs-
regiment ihr Gepräge trug, und seine einflußreichsten Beamten ge-
lehrte Bischöfe waren, die zugleich ein weltliches Fürstenthum zum
Lehn trugen. Der Zug der Zeit war religiös, Otto voll ernster
Frömmigkeit; er stärkte sich durch Gebet zum Kampf, und der
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