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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0350

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336

Das Mittelalter.

deutet das auf seine bürgerliche Herkunft im Unterschied von
ihrem Adel, und so kündigt leise eine neue Zeit sich an, wenn er,
der Seelenmaler, der nicht mehr blos den Beifall höfischer Kreise
Zur Geschmacksregel hat, über ausführliche Turnierschilderungen
sich mit der Bemerkung hinwegsetzt: von den gebrochenen Speeren
möchten die Knappen berichten die sie aufgelesen, — wenn er
statt die Schwertleite Tristan's Zn beschreiben, vielmehr dazu die
zeitgenössischen Dichter beruft und sie mit Liebe charakterisirt. Er-
nennt unter ihnen auch Blicker von Steinach, dessen Worte wie
Adler schweben und gleich Harfenklang die Gedanken begleiten;
sein Umhang schildert die Bilder die von Frauenhand nach Sitte
der Zeit auf die Teppiche gestickt waren. Neben ihm, Hartmann
von der Aue, Heinrich von Veldek ist aber mit deutlicher Anspie-
lung auf Wolfram von Eschenbach die Rede von andern die in
Mären wildern und wilde Mären bildern, den Sinn verwirren,
statt Perlen Staub aus ihrer Büchse schütteln, statt grünen lau-
bigen Zweiges dürren Strunk bieten, und der Glossen und Noten
der Ausleger bedürfen statt dichterischen Genuß zu gewähren.
Wir finden hier den Gegensatz des Tiessinns und der Anmuth
wie bei Dante und Ariost; Wolfram ruft wie Klopstock den
Geist in Waffen, während Gottfried wie Wieland mit gefälliger
Glätte den Sinnen sich einschmeichelt; wo jener das Entlegene
kühn verknüpft, da wiegr dieser ans dem wohllautenden Wellen-
schlag seiner Verse sich behaglich heiter dahin und ist an innerm
und änßerm Reize der Darstellung allen Zeitgenossen überlegen,
ein Kind der Welt das mit ihxem Strome schwimmt, während
Wolfram ihr ein höheres Ideal vorhält und uns durch die Größe
seiner Lebensauffassung imponirt. Erst Schiller und Goethe haben
den Gegensatz mit sittlichen! Edelsinne versöhnt und dadurch zu-
gleich das Höchste in der Kunst erreicht.

Das deutsche Volksepos.
In Frankreich unterscheiden sich die Troubadours standes-
mäßig scharf von den Jongleurs, die bald im Dienste jener stan-
den und deren Lieder vortrngen, bald auf eigene Hand in Stadt
 
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