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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0518

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Das Mittelalter.

oa,litu8 tirrnrm der Messe durch geschickte Säuger luftige ver-
wehende Tongebäude aufführt, sondern ihre Coiupositioueu gründ-
lich durcharbeitet und schriftlich aufzeichuet. Sie nehmen zugleich
vom Gregorianischen Gesang und vom mehrstimmigen weltlichen
Lied ihren Ansgang, und sind in ihren Arbeiten bereits so sicher
in der Stimmführung und in der Technik deö Satzes, daß von
ihnen die neue Aera der Musik datirt werden muß. Es liegt
ganz im Geiste der Zeit und des aufstrebenden Bürgerthnms daß
sie ihren Messen beliebte Melodien weltlicher Lieder zu Grunde
legen; gerade so kleiden die nachfolgenden Maler die Gestalten der
biblischen Geschichte in das Gewand der damaligen Niederländer
und versetzen sie in die Stuben oder die Landschaft der eigenen
Heimat: das Heilige wird dadurch heimisch und das weltliche Leben
in seiner Tüchtigkeit empfängt die religiöse Weihe.

Die Mrik. Petrarca.
Als Rudolf von Habsburg den Thron bestieg, da drängten
sich die ritterlichen Poeten an ihn heran, aber er war mit nüch-
ternem Sinn bedacht den Frieden gegen die adelichen Räuber zu
schaffen und sich' eine Hansmacht zu gründen; das minniglich
Schwärmerische, das abenteuerlich Phantastische lag ihm fern, er
ließ die literarischen Epigonen, die noch davon sich geistig und
leiblich nähren wollten, unbeachtet stehen, und es kümmerte ihn
nicht wie sie darüber klagten und ihn verklagten. Noch bildete
das Ritterthum ohne die ideale Weihe aus der Zeit der Krenz-
züge die höfische Gesellschaft, und zeigte in den Turnieren neben
der Kraft des Arms und der Gewandtheit in der Waffenführung
die vornehme Sitte und den Glanz einer stattlichen Erscheinung,
und da finden sich auch Versemacher ein uni die Heroldsdienste zu
verrichten, die Wappen in gereimten Beschreibungen zu schildern,
in Reimsprüchen die Tnrnierordnung anSznrnfen und den Sieger
mit einem Ehrenlied zu begrüßen. Ein solcher ist der Snchenwirt,
der die Thaten der österreichischen Edeln am Ende des 14. Jahr-
hunderts besingt, mit geblümten Phrasen anhebt, dann trocken er-
zählt, und gewöhnlich das Lob seines Helden mit dem Hinblick
 
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