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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0142

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Das Mittelalter.

Die Völkerwanderung.
Nachdem seit Jahrhunderten die Germanen im Kampf mit
Rom ihre Freiheit behauptet, und bald von der Noth getrieben,
bald im Drang der Abenteuerlust einzelne Züge die Grenzen der
Heimat überschritten hatten, gaben die Hunnen den Anstoß zu
einer Bewegung welche die Geschichte nmgestalten, nenes Lebens-
blnt in alte Cultnrländer bringen, neue Völker in die Cnltur-
entwickelung eiuführen sollte. Shbel zeichnet die Weltlage mit
scharfen Strichen: „Wenn wir uns das damalige Jneinander-
fließen der römischen und der deutschen Welt vergegenwärtigen,
so erscheint uns ein ganz providentielles Verhältniß der gegen-
seitigen Ergänzung. Dort verödete Aecker die der Menschen har-
ren, hier eine Völkermasse der in jedem Jahr ihr Acker zu
enge wird. Dort Abnahme der kriegerischen Kraft, Versiegen der
Volkssubstanz, düsterer Lebens- und Weltüberdruß, hier frische
Freudigkeit au Kampf uud Ruhm, au Genuß und Natnr, an Ge-
fahr und Erfolg. Dort eine weite formale Bildung, hier eine
unbegrenzte Bildnngslnst und Fähigkeit. Dort eine an ihrer
Allmacht absterbende, in ihren Rechtsformeu beispiellos entwickelte
Monarchie, hier ein starker Freiheitssinn, der nnr der politischen
Schule bedurfte uud uach politischer Form hiudrängte. Dort
eiue ausgebildete Kirche, auf den tiefsten sittlichen Principien
ruhend, zur sittlichen Erziehung wie keine andere geeignet, aber
damals ohne sittlich brauchbare Menschen und deshalb mehr als
billig zur Weltflucht uud Weltverachtuug geneigt; hier ein starkes
und keusches, sonst aber weltfrohes und in seinen Leidenschaften
unbändiges Geschlecht, welches von der Kirche eine heilsame Zucht
erwartet und ihr dafür als gleichwertige Gabe eine freudige Er-
frischung entgegenbringen konnte."
Jene mongolischen Horden stießen 375 am Don auf die
Gothen, und ein Theil von diesen fand und begehrte Aufnahme
im oströmischeu Reiche, dessen Hüter sie wurden, während ein
anderer Theil in Italien einbrach, und Ron: die silberne Statue
der Mannhaftigkeit einschmolz und münzte um.sich von der Be-
lagerung des Heldenjünglings Alarich loszukaufen. Aber die
Vandalen stürmten und plünderten die Stadt und zogen dann
nach Afrika hinüber. Sueven drangen nach Spanien vor, Sachsen
 
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