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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0377

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Epische Gedankendichtung.

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auf, in immer andern Kreisen seine Schalkhaftigkeiten ausübend.
Theilweise verschmolz er mit dem Enlenspiegel, und ein Stück
von ihm feierte seine Auferstehung in Bürger's Abt von Sauet
Gallen.
Sonst können wir uns nicht bergen daß die Erzähler in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts den großen Stoffen des Epos,
denen sie sich oft wieder zuwenden, nicht gewachsen find, daß ihre
Sammelwerke gerade bei einzelnen Zierathen den Epigonencharakter
tragen; auch beginnen sie die abenteuerlichen Spiele der Einbil-
dungskraft für unwahren Tand anznsehen und sich dem Lehrhaften
oder in Reimchroniken der Geschichte zuzuwenden, und Rudolf von
Ems fühlt es daß in der allgemeinen Verbreitung des Verse-
machens der Geist der Kunst verdufte, wenn er sagt daß sie um
so vereinsamter sei je gemeinsamer sie erscheine.
Auch das war epigonenhaft daß man am Ende der vor-
liegenden Periode die Poesie selbst zum Gegenstände der Poesie
inachte, wie das im Sängerkrieg ans der Wartburg geschah, einem
unerquicklichen Werke, das keineswegs die Dichter in ihrer Eigen-
art charakterisirt, sondern sich in herkömmlichen Redensarten und
dunkeln Räthselspielen gefällt, übrigens aber als große Tenzone
auf deutschem Boden in der Gegenüberstellung der miteinander
ringenden Kräfte den Keim des Dramas in sich birgt und da-
mit in die Zukunft weist.

Eptsche Gedcmkcndichtung.
Während der griechische Geist vornehmlich auf Anschauung
gerichtet nach solcher auch den Menschen als den bezeichnet der
das Antlitz aufwärts wendet, nennt ihn die indische wie die deutsche
Sprache den Denkenden, und daß die Germanen sich gleich ihren
Brüdern am Ganges früh zur Gedankenwelt hingezogen fühl-
ten, bewies uns die Spruchweisheit der Edda. Doch auch auf
Homer folgten Hesiod und Empedokles, während die Epiker die
den innern Menschen zum Gegenstand hatten, schon dadurch selbst
zu Betrachtungen hingeführt wurden, die sie an den Anfang
und an das Ende ihrer Dichtungen stellten, oder gelegentlich ein-
 
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