Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Karl der Große und die Zeit der Karolinger. 165
Beziehungen des Genius zu den Ideen seiner und der folgenden
Zeit in der Poesie, und als die Artussage sich verbreitete und mit
ihr der Geschmack an Liebesabenteuern, Feen, Zauberern, irren-
den Rittern, da wurden nun au Karl's Paladine auch derlei Ge-
schichten angeknüpft; wir erinnern nur an Hüon von Bordeaux,
die Quelle zu Wieland's Oberon. Auch die zarte Geschichte von
Flor und Blancheflore, Blume und Weißblume oder Rose und
Lilie, die von den Troubadours so oft gesungen und auch in einer
zierlichen Bearbeitung Konrad Fleck's im Deutschen erhalten ist,
ward an die Karlsage angereiht; beide wurden zu Aeltern Pipin's.
Die Sage erzählt hier das Jugeudlebeu und die Jugendliebe zweier
Kinder, die an gleichem Frühlingstag geboren sich gar bald ver-
stehen und der Minne Bücher in der Schule lesen, daun aber
getrennt werden und nach vielen Begebnissen endlich sich wieder-
findeu. Sie trauert fern im Thurm um den Geliebten, und dieser
wird in einem Blumenkorb zu ihr gebracht und springt ihr als
lebendige Rose entgegen.
Daneben herrschte im 13. Jahrhundert wie bei den Kykli-
kern nach Homer das Bestreben die vielen Helden und Sagen zn
einem Ganzen zu verbinden; man gab dem Doon von Mainz
12 Söhne um alle Vasallen au ihn anzureiheu, und in franzö-
sischen Reimchroniken wie in der deutschen Kaiserchronik, in latei-
nischen Geschichten von ihm, im Karl Meinet sind uns solche
Compilationen erhalten. Vornehmlich gibt die isländische Karla-
magnussage naiv und treu die besten alten Quellen wieder; es
scheint daß sie mit christlicher Poesie die altheidnische bekämpfen
sollte.
Das 15. Jahrhundert nahm wieder einzelne Geschichten und
löste sie in Prosa auf, vornehmlich in den Niederlanden, wo nun
die Romane von Malagis, Ogier, den Haimonskindern populär
wurden, während in Italien sie den Stoff und Anlaß zu neuer
Kunstdichtung boten. Hier hatten sich, wiewol der Ueberwinder
der Lombarden, der Kaiser von Rom einen tiefen Eindruck ge-
macht, doch keine eigenen Sagen gebildet; vielmehr hatte man
die französischen bei der Leichtverständlichkeit der Sprache durch
Nebertragung in einen Mischdialekt ausgenommen, und die Dichter-
erweiterten sie bald durch eigene Erfindungen im Sinn der Tafel-
runde von Artus; zwei große Familien traten feindlich einander
gegenüber und nahmen die einzelnen Helden in sich auf. Die
Königskinder von Frankreich (raali äi ^rnnoiu.) gaben um 1350
 
Annotationen