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Carrière, Moriz
Die Kunst im Zusammenhang der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit: [ein Beitrag zur Geschichte des menschlichen Geistes] (Band 3, Mittelalter ; Abt. 2): Das europäische Mittelalter in Dichtung, Kunst und Wissenschaft — Leipzig, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.33537#0413

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Die gothische Architektur.

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herrschend werden, sodaß nicht Llos vier Kuppeln nm die der
Mitte sich erheben, sondern noch eine andere nach dem Eingang
hin sich über dem Mittelschiff wölbt und ein Chor, mit Kapellen-
kranz weit ansladet. Das Ganze macht den Eindruck einer leeren
Größe. Doch wie die gothischen Formen im 13. Jahrhundert
eindrangen, es behielt immer die Erinnerung an das Alterthum
die Oberhand. Man verwerthete den Spitzbogen mehr um weite
Räume zu überspannen als um steil in die Höhe zu streben, man
ließ die Fenster klein um Wandflächen für Gemälde zu behalten,
man ließ das Mittelschiff nur wenig über die Seitenschiffe em-
porragen, die Strebebogen nur liserenartig die Außenmauer glie-
dern, man ließ die Horizontallinie des Daches zur Geltung kom-
men. Eine Kuppel über der Kreuzung der Mitte dient statt der
Thürme und die Fassade wird am liebsten so gebildet daß sie
wie ein Marmorschild vor dem Gebäude steht, über das sie em-
porragt. Doch weist ihre Gliederung aus das Innere; vier
fialengekrönte Pfeiler haben drei Portale zwischen ihnen, die nach
den drei Schiffen hinleiten; die Mitte ist von doppelter Breite
wie die Seitenräume, nimmt eine Fensterrose ans und steigt höher
empor, gleich den Seiten durch einen spitzen Giebel abgeschlossen.
Galerien mit Statuen, Reliefs, bunte Marmorstreifen, selbst Mo-
saiken dienen zu geschmackvoll glänzender Decoration. In Assisi
ward über der mit einer Krhpte versehenen romanischen Kirche
noch eine gothische mit gegliederten Pfeilern und Spitzbogen er-
richtet; Florenz folgte mit Santa Trinita und Santa Maria
Novella; an dem Dom von Siena kam durch Giovanni Pisano,
an dem Dom von Orvieto durch Lorenzo Maitano die Pracht-
fassade zur schönsten Gestaltung. Der honiggelbe Marmor, die
farbenbunten Mosaiken schimmern hier im Glanz der Abendsonne in
zauberischem Reiz wie ein riesiger Gemäldeschrein; man zweifelt
ob die Architektur den Schmuck der Bildwerke empfing, oder ihnen
zur Umrahmung dient.
Die Ritter legten ihre Burgen am liebsten auf Bergen an;
in der Ebene suchte man sie durch Wall und Wasser zu schützen.
Den Kern bildete ein starker Rnndthurm, Bergfried in Deutsch-,
land, dsltr^ in England, ckoufou in Frankreich geheißen. Er
war nur im obern Geschoß zugänglich, in den untern Raum mit
einem Brunnen, das Burgverließ, senkte man die Gefangenen
von oben herab; ein Saal, mehrere Gemächer waren in der
Mitte angelegt, oben saß der Wächter und spähte hinter den
 
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