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Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0255

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2S4

OPPENHEIM • KATHARINENKIRCHE

im Rhythmus a-b-b-a reicher gestaltet (Fig. 174); hier rahmen zwei unterschiedlich konzipierte Rosenfenster zwei
in sich gleiche siebenbahnige, mit Kopfscheiben drei- bzw. fünfzeilige Fenster, deren Bahnen zu Zweier- bzw. Drei-
ergruppen mit eigenem Couronnement aus Kreisen, Bogendrei- und -vierecken mit Passfüllungen zusammengefasst
sind. Die Nordseite ist demgegenüber gleichförmiger, indem dort alle vier Fenster in zwei mal drei fünfzeilige, unter
zwei Spitzbögen zusammengefasste Bahnen unterteilt sind, über denen im Couronnement - nunmehr im Rhythmus
a-a-a-b - Kreise mit Vierpässen und stehende Dreipässe oder Kreise mit Dreipässen und Bogenvierecke mit Vierpässen
erscheinen, wobei sich in dem deltoidförmigen Zwickel zwischen den übergreifenden Bögen als bekrönendes Motiv
stets ein Kreis mit einer Vierpass- oder Fünfpassfüllung befindet. Im Obergaden schließlich sind die Fenster nicht nur
höher und zugleich schmaler proportioniert, sondern auch vereinheitlicht. Sie sind durchweg vierbahnig und - nach
den Wiederherstellungsarbeiten in den I93oer-Jahren - mit Kopfscheiben vierzeilig; die Bahnen sind paarweise unter
übergreifenden Bögen zusammengefasst, auf denen im Ostjoch im Fensterscheitel als Hauptfigur ein Kreis liegt, der
mit drei Bogendreiecken und in sie eingeschriebenen Dreipässen gefüllt ist, während sie in den drei anschließenden
Jochen jeweils ein Bogenviereck mit eingeschriebenem Kreis und Vierpass tragen. So ergibt sich für die Obergaden-
fenster eine zu den Seitenschiff fenstern der Nordseite gegenläufige Abfolge (a-b-b-b).
Was Grund- und Aufriss der Ostteile betrifft, so hat Schütz wohl zu Recht betont, dass der »Hochchor« mit be-
gleitenden, übereck gestellten Nebenchören einer im 13. Jahrhundert ebenso verbreiteten wie mannigfach variierten
Bauidee folgt und sich nicht zwingend auf ein bestimmtes Vorbild zurückführen lässt. Die Bauformen selbst - Pfeiler-
grundrisse und -profile, Bogen- und Rippenprofile, Fensterrahmungen und Fenstermaßwerk - haben ihre direkten
Voraussetzungen nicht in Mainz, wie man vermuten könnte, sondern in Marburg, wo sich an der Elisabethkirche (Sa-
kristei, vor 1266; Langhaus-Westjoche, 3. V. 13. Jh.; Schlussweihe 1283) und an der Schlosskapelle (Weihe 1288) in der
Summe nach wie vor die engsten Übereinstimmungen konstatieren lassen13. Nachdem die Chronologie der Marburger
Bauten sich in jüngerer Zeit etwas verschoben hat, dürfte auch der Beginn der Arbeiten an der Katharinenkirche etwas
früher anzusetzen sein, etwa um 1260/70, d.h. noch vor der zweiten Zerstörung der Reichsburg in Oppenheim durch
die Bürger der Stadt, deren von König Rudolf von Habsburg erzwungene unmittelbare Wiederherstellung in den Jah-
ren um 1275-1281/82 vielleicht zu einer Unterbrechung am Bau der Kirche geführt hat14. Nach der Fertigstellung ihrer
Chorpartie, die anhand der Verglasungsreste zwischen 1276 und 1291 datiert werden kann, entstanden das bereits
begonnene Querhaus und Teile des östlichen Langhausjoches unter der Leitung eines neuen Baumeisters, der nach
Ansicht der jüngeren und jüngsten Forschung von Köln nach Oppenheim - Schütz identifiziert ihn mit dem 1297
eingebürgerten Werner von Koldembech, dem Spross einer Kölner Steinmetzenfamilie - gekommen sein muss, von wo
er genaue Kenntnisse des dortigen Dombaues bis hin zu dessen noch in der Planungsphase begriffenen Westfassade
mitgebracht habe; die Prachtfenster in den Querhaus-Stirnseiten rezipieren ohne Zweifel dort auftretendes Formen-

12 Schütz 1982, S. ijif. mit Fig. 6. Vgl. den Grundriss in Dehio
Rheinland-Pfalz/Saarland ^1984, S. 795, der die Änderungen anschau-
lich wiedergibt.
Vgl. die eindringliche Analyse von Schütz 1982, S. 128-132. - In
der Absicht, den Baubeginn der Katharinenkirche ursächlich mit ih-
rer 1258 erfolgten Erhebung zur Pfarrkirche zu verbinden, hat Marc
C. Schurr jüngst die ScHÜTZ’schen Beobachtungen dadurch zu ent-
kräften versucht, dass er die Bauformen der Ostteile, vom Maßwerk
einmal abgesehen, auf lothringische Vorbilder der Mitte des 13. Jh.
- auf die Kathedral- und Kirchenbauten in Metz und Toul - zurück-
führte; Schurr 2007, S. 151-155, und bes. Schurr, East Choir, 2007.
Es scheint mir jedoch wahrscheinlicher zu sein, dass die Vermittlung
lothringischer Formen zweiter Hand über Marburg (und Marburger
Nachfolgebauten) erfolgte - eine Möglichkeit, die Schurr, East Choir,
2007, S. 151, durchaus einräumt. - Jüngere dendrochronologische Un-
tersuchungen am Bau der Elisabethkirche haben ergeben, dass die Sa-
kristei bereits 1266 unter Dach war und die Errichtung der Westteile
des Langhauses bis 1277 erfolgte; s. hierzu Matthias Müller, Die Eli-
sabethkirche in Marburg (DKV-Kunstführer 296/1), München/Ber-
lin I3(2ooo), S. 6, 8, und Gerd Strickhausen, Die Elisabethkirche in
Marburg - Kirche des Deutschen Ordens, in: Burgen kirchlicher Bau-
herren (Forschungen zu Burgen und Schlössern 6), München/Berlin
2001, S. 139-156, bes. S. 143-149.

14 Schmid/Herrmann 1998, S. 116, 126 (Ch. Herrmann).
15 Schütz 1982, S. 139-144. Vgl. hierzu auch: Marc Steinmann, Die
Westfassade des Kölner Domes. Der mittelalterliche Fassadenplan F
(Forschungen zum Kölner Dom 1), Köln 2003, S. Sif.; Wegner 2005,
S. 89; Leonhard Helten, Mittelalterliches Maßwerk. Entstehung -
Syntax-Topologie, Berlin2006, S. 195, 197, 226; GALLET2007, S. 158L;
Klein 2007 (wie Anm. 7), S. 269. Demgegenüber haben Arens 1989,
S. 13, und, wenn auch vage, Dölling 2000, S. 12, an den bereits in
der älteren Forschung vertretenen Zusammenhängen mit den Fenstern
der 1279-1291 errichteten Nordkapellen des Mainzer Domes festge-
halten; s. Hartmut Seeliger, Die Stadtkirche in Friedberg in Hessen.
Ein Beitrag zur Geschichte der gotischen Baukunst in Hessen und am
Mittelrhein, in: AHG NF 27/1+2, 1962, S. 1-118, hier S. 59, Anm. 154.
- Obgleich Schütz’ Identifizierung des Baumeisters ansprechend ist
und auch viel Anklang gefunden hat, so bleibt doch ein Rest an Unsi-
cherheit, da der Beruf Werner von Koldembechs nicht überliefert ist;
s. Schütz, a.a.O., S. 143L mit Anm. 240. Als Nachfolger am Langh-
ausbau vermutet Schütz einen gewissen Johannes de Oppinheim lapi-
cida, der 1320 als Zeuge in einer Urkunde Erzbischofs Peter von Aspelt
genannt wird; ebd., S. 235L mit Anm. 330.
16 Nussbaum *1994, S. 125. Für Nachweise im Einzelnen s. Schütz
1982, S. 222-261. Vgl. ergänzend Gallet 2007, S. 160, i62ff.
17 Philip S. C. Caston, Spätmittelalterliche Vierungstürme im
 
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