Metadaten

Gast, Uwe; Rauch, Ivo
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Oppenheim, Rhein- und Südhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2011

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52850#0469

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
468

WORMS ■ MUSEUM HEYLSHOF

Rekonstruktion, ikonografisches Programm, Komposition: Aufgrund ihrer annähernd identischen Abmes-
sungen müssen die Scheiben aus einem Bestand stammen, der zumindest einen Zyklus mit Szenen aus dem Leben von
Maria und Christus sowie - nach der auf ein Pendant ausgerichteten Haltung der Hll. Johannes Ev., Maria Magdalena
und Nikolaus zu schließen - ein Scheibenpaar mit je drei Standfiguren von Heiligen umfasst hatte. Hier wie dort
beschränkte die rahmende Architektur sich auf zwei Konsolen, die in den oberen Ecken zwickelartig in die von Mau-
erwerk und Landschaftsausblicken hinterfangenen figürlichen, auf Vorlagen aus dem Dürer-Kreis zurückgehenden
Kompositionen einschnitten.
Farbigkeit, Technik: Die Farbigkeit beider Scheiben ist licht und wird von großen, plakativ wirkenden Farbflächen
bestimmt. Insbesondere das Hellblau der Umhänge von Maria und dem Hl. Nikolaus und das leuchtende Rot der
Umhänge von Joseph und dem Hl. Johannes Ev. treten hervor, daneben Weiß und die mit Silbergelb gehöhten Partien
der Haare, Nimben, Attribute, etc. Das Grün des Mantels der Maria Magdalena scheint nur in kleinen Flächen durch;
dunkle, stumpfe Töne wie das Graublau des Untergewandes von Joseph, das Violett des Kleides von Maria und das
tiefe Rot im Pontifikalgewand des Hl. Nikolaus setzen weitere Kontraste. Die Böden sind graubraun bzw. graugrün,
das Mauerwerk im Hintergrund zeigt jeweils eine zarte rötliche, mit Braunlot abschattierte Färbung. Hinsichtlich der
technischen Ausführung ist zu bemerken, dass die farbintensiven Gläser sehr dünn sind und großflächig zugeschnit-
ten wurden, was sie nicht zuletzt für mechanische Beschädigungen anfällig machte. In den Hintergründen findet sich
reiche Silbergelbmalerei auf Blau; neben dem Hl. Johannes Ev. daher zwei Bäume mit blauen Stämmen. Die Schatten-
lagen der Gewandpartien sind rückseitig abgedeckt.
Stil, Datierung: Wie bereits Hermann Schmitz 1913 völlig zutreffend erkannt hat, handelt es sich bei den beiden
Scheiben um Arbeiten der Werkstatt Veit Hirsvogels d.Ä. in Nürnberg. Sie gehören der Spätphase der Werkstattpro-
duktion an, in deren Zentrum um 1520/21 die Farbverglasung für die Rochuskapelle in Nürnberg steht71. Kennzeich-
nend für die zahlreichen Werke dieser Zeit - so auch für die beiden nach Worms gelangten, 1520 datierten Scheiben
(Nr. 15) - ist eine sparsame, aber kräftige, mitunter zum ornamentalen Eigenleben neigende Konturzeichnung (wie
z.B. im Schleier Mariens) und eine akkurate, z.T. mit Halbton unterlegte Binnenzeichnung aus Parallel- und Kreuz-
schraffuren.

14. ANBETUNG DES KINDES Fig. 439, 441, Abb. 301
H. 83,5 cm, B. 44,5 cm. - Swarzenski 1927, Nr. 181.
Erhaltung: Weitgehend originaler Glasbestand; nur in den
Ecken oben links und rechts sowie unten rechts einige wenige
im 19. Jh. ergänzte Stücke. Zahlreiche Sprünge; Doublierungen
an Oberkörper und Kopf Mariens, dem Jesuskind, dem Kopf
Josephs, dem Schädel des Ochsen. Der Josephskopf ist außer-
dem auffällig stark berieben; die Bemalung ist partiell abgän-
gig. Seitenverkehrter Einbau.
Ikonografie, Komposition: Maria kniet betend vor dem Jesus-
kind, das auf ihrem am Boden ausgebreiteten Mantel liegt; im
Mittelgrund links hat Joseph sich andächtig vor Mutter und
Kind niedergelassen, rechts erscheinen Ochse und Esel an der
Futterkrippe. Im dahinter stehenden Mauerwerk mit Ausblick
in eine Landschaft, die ein Hirte mit seinen Schafen bevölkert,
wird die Szenerie angedeutet, in der die Geburt Christi nach
Lc 2,/f. stattfand.
Die Darstellung erweist sich, wie Hartmut Scholz 1991 ge-
zeigt hat, als exakte Wiederholung der Geburt Christi aus der
Farbverglasung des Kreuzgangs des ehern. Karmeliterklosters
in Nürnberg, die sich in der dortigen Pfarrkirche St. Bartholo-
mäus befindet (Chor n II, 2b, um 1504/05): Deren nach einem
Entwurf Hans Baldung Griens ausgeführter Karton wurde
von der HirsvogeLWerkstatt nochmals verwendet, wobei die
ursprünglich für ein breiteres Scheibenmaß angelegte Szene
seitlich beschnitten werden musste72.
CVMA RT 13345, Großdia RT 05/158



71 Zur Spätphase der HirsvogeLWerkstatt allgemein s. Scholz 1991,
S. 176-189; zur Rochuskapelle ebd., S. 177-180, und Scholz 2002, I,
S. 363-383, Fig. 258-263, II, Abb. 275-289.
72 Scholz 2002, I, S. 315!., II, Abb. 210. Vgl. auch Scholz 1991,
S. 244, 246. - Zur ehern. Farbverglasung des Karmeliterklosters
s. Scholz 2002, II, Anhang I, S. 539-552.
77 Schoch/Mende/Scherbaum, III, 2004, S. 494-511, hier S. 506,
Nr. A 37.40 (Anna Scherbaum).
74 Eine Herkunft aus dem Kapitelsaal des Konstanzer Münsters, wie
sie Villinger 1976 vermutet hat (vgl. Bibi.), ist nicht zu belegen.
 
Annotationen