KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
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Bauten wie der auf römischen Pfeilern errichteten (doch schon im Jahr 813 wieder abgebrannten) Rheinbrücke bei
Mainz und der in den 770er-Jahren begonnenen, noch in ihren architektonischen Überresten beeindruckenden Pfalz
in Ingelheim, die inmitten eines großen Reichsgutkomplexes ein Areal von immerhin ca. 140 x 100 m einnahm - Bau-
ten, die der Gelehrte Einhard in seiner Vita Karoli Magni zu den bemerkenswerten opera des Kaisers gerechnet hat5 -,
tritt die Aufwertung der Region durch Karl den Großen ebenso deutlich zutage wie in dessen Förderung der im Süden
von Mainz gelegenen Benediktinerabtei St. Alban (s.u.), deren Kirche er zum Begräbnisort für seine 794 verstorbene
Ehefrau Fastrada bestimmt hatte.
In kirchlicher Hinsicht hatte Mainz bereits unter den Bischöfen Bonifatius (J 754) und dessen Schüler Lui (754-786) an
Gewicht gewonnen6. Bonifatius hatte die Diözese Mainz in seiner Stellung als Erzbischof für Austrasien offiziell um
747/48 übernommen, nachdem sein Plan einer Neuorganisation der fränkischen Kirche gescheitert war. Obgleich er
selbst in Mainz glücklos blieb, so gelang es ihm doch, den Mönch Lui als seinen Nachfolger zu installieren und damit
sein Erbe zu sichern. Lui, der wie Bonifatius aus dem angelsächsischen Wessex stammte, wurde zwar »nur« Bischof
von Mainz, doch als solcher fällte er die wegweisende Entscheidung, die fernen, noch von seinem Vorgänger gegründe-
ten Missionsbistümer Büraburg (bei Fritzlar) und Erfurt in die Mainzer Diözese einzubeziehen. Seine Bemühungen,
dem Bistum zu Ansehen und Bedeutung zu verhelfen, fanden den erhofften Erfolg, als Mainz in der Zeit um 781/82
- wohl auf Betreiben Karls des Großen - von Papst Hadrian I. zum Erzbistum erhoben wurde, dem nach und nach
die Bistümer Worms, Speyer, Straßburg, Konstanz, Chur, Augsburg, Eichstätt, Würzburg, Halberstadt, Paderborn,
Hildesheim, Verden und - bis 1344 - auch Prag und Olmiitz zugeordnet wurden (vgl. das ehemalige Bonifatius-Fenster
in der Dionysius-Kapelle des Mainzer Domes, Anhang S. 481).
Innerhalb dieser Kirchenprovinz war das Erzbistum Mainz eine der größten Diözesen. Westlich des Rheins erstreckte
es sich von der Bischofsstadt über das rheinhessische Hügelland bis in das Pfälzer Bergland und in den Hunsrück, öst-
lich des Rheins erfasste es Teile des Taunus und die Rhein-Main-Ebene bis Lorsch und griff von dort über Odenwald
und Spessart, Wetterau und Vogelsberg weit nach Nordosten bzw. Norden aus; seine Grenze zum Bistum Worms lag
bei Oppenheim, sie mäandrierte von dort aus entlang des Flüsschens Pfrimm nach Südwesten bzw. verlief entlang des
Rheins bis auf die Höhe der Stadt Worms. Die demgegenüber kleine Diözese des Wormser Bischofs erstreckte sich
sichelförmig nach Südwesten und entlang des Neckars über Ladenburg und Heidelberg weiter nach Südosten, wo sie
u.a. auch Wimpfen einbeschloss7.
Sieht man von den Bischofskirchen in Mainz und Worms ab, über die jedoch nur wenig bekannt ist, stehen im We-
sentlichen zwei Klöster für eine hohe geistige Kultur in Rhein- und Südhessen zur Zeit Karls des Großen: die Bene-
diktinerabteien Lorsch und St. Alban bei Mainz. Lorsch, eine Gründung des Gaugrafen Cancor und dessen Mutter
Williswind, war nach Streitigkeiten um die Besitzrechte an der Abtei, die aus ihrer Schenkung an Bischof Chrodegang
von Metz (f 768) herrührten, im Jahr 772 unter königlichen Schutz gestellt worden. Die Abteikirche wurde 774 im Bei-
sein Karls vom Mainzer Erzbischof Lui geweiht, unter Abt Richbod (784-804), einem Schüler Alkuins, fanden weitere
Baumaßnahmen an Kirche und Kloster statt (s. S. 177); auf ihn scheinen die Einrichtung eines Skriptoriums und die
Gründung der berühmten Bibliothek zurückzugehen8. Die Abtei St. Alban bei Mainz wurde auf Initiative von Erzbi-
schof Richulf (787-813), dem Nachfolger Luis auf dem Mainzer Stuhl, errichtet. Die großzügig dimensionierte Anlage
erhielt eine dreischiffige, ca. 55 m lange Basilika, die 805 geweiht wurde und, mit Richulf an der Spitze, einer ganzen
Reihe von Erzbischöfen als Grablege diente. Sie wurde zum Schauplatz vieler Synoden und scheint bis zum Bau des
Willigis-Bardo-Domes die führende Stellung unter allen kirchlichen Instituten in Mainz behauptet zu haben9.
In den annähernd fünf Jahrzehnten, in denen Karl der Große das Fränkische Reich als König und Kaiser regiert hat
(J 814), hatte das Rhein-Main-Gebiet sich aus einer Randlage zu einem »politischen Zentralraum« entwickelt10. Diesen
5 Einhardi Vita Karoli Magni [...] Editio sexta, hrsg. von O. Holder-
Egger (Monumenta Germaniae Historica Scriptores), Hannover/
Leipzig 1911, S. 20.
6 Franz Staab, Die Mainzer Kirche im Friihmittelalter, in: Jurgens-
meier 2000,S.87-194, hier S.117-145.
7 Zur Ausbildung der Diözesen Mainz und Worms s. Karl Heine-
meyer, Das Erzbistum Mainz in römischer und fränkischer Zeit, I:
Die Anfänge der Diözese Mainz (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Hessen 39), Marburg 1979, und Andreas U. Fried-
mann, Das Bistum [Worms] von der Römerzeit bis ins hohe Mittel-
alter, in: Jurgensmeier 1997, S. 13-43, hier S. 16-18.
8 Bernhard Bischoff, Die Abtei Lorsch im Spiegel ihrer Handschrif-
ten (GbllBergstraße, Sonderbd. 10), Lorsch A989, S. 6if.
9 Zur Abtei St. Alban und ihrer Kirche, die einer der größten Sakral-
bauten im Karolingerreich gewesen ist, s. Arens 1961, S. 11-27, tind
zusammenfassend Friedrich Oswald, in: Vorromanische Kirchenbau-
ten, I, 1966-1971, S. 193-196, und Werner Jacobsen, in: Vorromani-
sche Kirchenbauten, II, 1991, S. 262. Zuletzt Wolfgang Dobras, in:
Jurgensmeier 1999, S. 445-469.
10 Zur Definition s. Eckhard Müller-Mertens, Die Reichsstruktur
im Spiegel der Herrschaftspraxis Ottos des Großen. Mit historiogra-
phischen Prolegomena zur Frage Feudalstaat auf deutschem Boden,
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Bauten wie der auf römischen Pfeilern errichteten (doch schon im Jahr 813 wieder abgebrannten) Rheinbrücke bei
Mainz und der in den 770er-Jahren begonnenen, noch in ihren architektonischen Überresten beeindruckenden Pfalz
in Ingelheim, die inmitten eines großen Reichsgutkomplexes ein Areal von immerhin ca. 140 x 100 m einnahm - Bau-
ten, die der Gelehrte Einhard in seiner Vita Karoli Magni zu den bemerkenswerten opera des Kaisers gerechnet hat5 -,
tritt die Aufwertung der Region durch Karl den Großen ebenso deutlich zutage wie in dessen Förderung der im Süden
von Mainz gelegenen Benediktinerabtei St. Alban (s.u.), deren Kirche er zum Begräbnisort für seine 794 verstorbene
Ehefrau Fastrada bestimmt hatte.
In kirchlicher Hinsicht hatte Mainz bereits unter den Bischöfen Bonifatius (J 754) und dessen Schüler Lui (754-786) an
Gewicht gewonnen6. Bonifatius hatte die Diözese Mainz in seiner Stellung als Erzbischof für Austrasien offiziell um
747/48 übernommen, nachdem sein Plan einer Neuorganisation der fränkischen Kirche gescheitert war. Obgleich er
selbst in Mainz glücklos blieb, so gelang es ihm doch, den Mönch Lui als seinen Nachfolger zu installieren und damit
sein Erbe zu sichern. Lui, der wie Bonifatius aus dem angelsächsischen Wessex stammte, wurde zwar »nur« Bischof
von Mainz, doch als solcher fällte er die wegweisende Entscheidung, die fernen, noch von seinem Vorgänger gegründe-
ten Missionsbistümer Büraburg (bei Fritzlar) und Erfurt in die Mainzer Diözese einzubeziehen. Seine Bemühungen,
dem Bistum zu Ansehen und Bedeutung zu verhelfen, fanden den erhofften Erfolg, als Mainz in der Zeit um 781/82
- wohl auf Betreiben Karls des Großen - von Papst Hadrian I. zum Erzbistum erhoben wurde, dem nach und nach
die Bistümer Worms, Speyer, Straßburg, Konstanz, Chur, Augsburg, Eichstätt, Würzburg, Halberstadt, Paderborn,
Hildesheim, Verden und - bis 1344 - auch Prag und Olmiitz zugeordnet wurden (vgl. das ehemalige Bonifatius-Fenster
in der Dionysius-Kapelle des Mainzer Domes, Anhang S. 481).
Innerhalb dieser Kirchenprovinz war das Erzbistum Mainz eine der größten Diözesen. Westlich des Rheins erstreckte
es sich von der Bischofsstadt über das rheinhessische Hügelland bis in das Pfälzer Bergland und in den Hunsrück, öst-
lich des Rheins erfasste es Teile des Taunus und die Rhein-Main-Ebene bis Lorsch und griff von dort über Odenwald
und Spessart, Wetterau und Vogelsberg weit nach Nordosten bzw. Norden aus; seine Grenze zum Bistum Worms lag
bei Oppenheim, sie mäandrierte von dort aus entlang des Flüsschens Pfrimm nach Südwesten bzw. verlief entlang des
Rheins bis auf die Höhe der Stadt Worms. Die demgegenüber kleine Diözese des Wormser Bischofs erstreckte sich
sichelförmig nach Südwesten und entlang des Neckars über Ladenburg und Heidelberg weiter nach Südosten, wo sie
u.a. auch Wimpfen einbeschloss7.
Sieht man von den Bischofskirchen in Mainz und Worms ab, über die jedoch nur wenig bekannt ist, stehen im We-
sentlichen zwei Klöster für eine hohe geistige Kultur in Rhein- und Südhessen zur Zeit Karls des Großen: die Bene-
diktinerabteien Lorsch und St. Alban bei Mainz. Lorsch, eine Gründung des Gaugrafen Cancor und dessen Mutter
Williswind, war nach Streitigkeiten um die Besitzrechte an der Abtei, die aus ihrer Schenkung an Bischof Chrodegang
von Metz (f 768) herrührten, im Jahr 772 unter königlichen Schutz gestellt worden. Die Abteikirche wurde 774 im Bei-
sein Karls vom Mainzer Erzbischof Lui geweiht, unter Abt Richbod (784-804), einem Schüler Alkuins, fanden weitere
Baumaßnahmen an Kirche und Kloster statt (s. S. 177); auf ihn scheinen die Einrichtung eines Skriptoriums und die
Gründung der berühmten Bibliothek zurückzugehen8. Die Abtei St. Alban bei Mainz wurde auf Initiative von Erzbi-
schof Richulf (787-813), dem Nachfolger Luis auf dem Mainzer Stuhl, errichtet. Die großzügig dimensionierte Anlage
erhielt eine dreischiffige, ca. 55 m lange Basilika, die 805 geweiht wurde und, mit Richulf an der Spitze, einer ganzen
Reihe von Erzbischöfen als Grablege diente. Sie wurde zum Schauplatz vieler Synoden und scheint bis zum Bau des
Willigis-Bardo-Domes die führende Stellung unter allen kirchlichen Instituten in Mainz behauptet zu haben9.
In den annähernd fünf Jahrzehnten, in denen Karl der Große das Fränkische Reich als König und Kaiser regiert hat
(J 814), hatte das Rhein-Main-Gebiet sich aus einer Randlage zu einem »politischen Zentralraum« entwickelt10. Diesen
5 Einhardi Vita Karoli Magni [...] Editio sexta, hrsg. von O. Holder-
Egger (Monumenta Germaniae Historica Scriptores), Hannover/
Leipzig 1911, S. 20.
6 Franz Staab, Die Mainzer Kirche im Friihmittelalter, in: Jurgens-
meier 2000,S.87-194, hier S.117-145.
7 Zur Ausbildung der Diözesen Mainz und Worms s. Karl Heine-
meyer, Das Erzbistum Mainz in römischer und fränkischer Zeit, I:
Die Anfänge der Diözese Mainz (Veröffentlichungen der Historischen
Kommission für Hessen 39), Marburg 1979, und Andreas U. Fried-
mann, Das Bistum [Worms] von der Römerzeit bis ins hohe Mittel-
alter, in: Jurgensmeier 1997, S. 13-43, hier S. 16-18.
8 Bernhard Bischoff, Die Abtei Lorsch im Spiegel ihrer Handschrif-
ten (GbllBergstraße, Sonderbd. 10), Lorsch A989, S. 6if.
9 Zur Abtei St. Alban und ihrer Kirche, die einer der größten Sakral-
bauten im Karolingerreich gewesen ist, s. Arens 1961, S. 11-27, tind
zusammenfassend Friedrich Oswald, in: Vorromanische Kirchenbau-
ten, I, 1966-1971, S. 193-196, und Werner Jacobsen, in: Vorromani-
sche Kirchenbauten, II, 1991, S. 262. Zuletzt Wolfgang Dobras, in:
Jurgensmeier 1999, S. 445-469.
10 Zur Definition s. Eckhard Müller-Mertens, Die Reichsstruktur
im Spiegel der Herrschaftspraxis Ottos des Großen. Mit historiogra-
phischen Prolegomena zur Frage Feudalstaat auf deutschem Boden,