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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 9 (28. November 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0103

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preis vpierteljährlich 3.— marf
Sür die Mitglieder der Kunft» und
Künftler : Dereine 2.— Mark,

poftgeitungslifté Yr. 1739 ä.



2IIIe 8 <Zage er{cheint eine Z‘(ummer ; /

C _ 3Inferate 2

foften 40 pfermige für die 4 gefpaltene
YWonpareille : Zeile. E

Kr. 9.


I. Jahraang,



%ett der‘ Begrsz „Dolfskunft“ zu einem Schlagwort aus:
» gemünzt ift, hat auch der ‚urfprünglich Hare SBedanfke
@ eine undeutlichere Prägung erhalten. Schon feine be-

— wunßte Gegenftellung gegen das Kunftgebilde, rve[ches
fich unter dem Einfluffe der Jnduftrie aus den Beftrebungen zur
Hebung des Kunftgewerbes herausgebildet hat, brachte es mit
{ich, daß er über die Schranfe einer gewifjen Tendenz nicht hin:
wegfonnte. Schließt er für Xene, welche in unferer Kunft —


Höhepunkt erfennen, Bef’aebungen ein, die den Hauptwerth auf
Ausbildung vorhandener - nationaler Kunftprinzipien legen, fo


gegenmartzge Kunft nur einer Deremfachung‚ 5d. h. Derbilligung
bedürfe, um als Dolfsausgabe in alle Hütten zu dringen. Daß
dieje Vereinfachung |ich aber Iebtg[rch darauf befd)ranft den
Aaterial- und Arbeitswerth zu verringern, daß fie alfo jene —
die gegenwärtige Kunft — vorweg .als die. volllommenere aner:
Fennt, daß fie vor allen Dingen fih als Befchüßerin des Surros
gats erwexfen muß, hat die folgerichtige Entwicdkelung gezeiagt,
Als eine bedenkliche und febr entmuthigende Chatfache Iäßt fich
dabei Fonftatiren, daß mwohl der Gefchmack gehoben und Die


3engung nicht befannt hat- Xoch {tehen MMillionen abfeits, ohne
_ ein SZeichen Fünftlerifcher Empfänglichfeit zu bezeugen, noch nimmt
man Ddie geiftlofefte Afterkunit auf mit der Begmfterung, die Ddie
WMode zu erwecden weiß, und noch haben wir nicht das nationale
‚ Kunftgewerbe, welches in feinen Erzeugniffen einen Abalanz
finniger Behag[ichfeit auch da zu verbreiten weiß, wo der Zl”angel
_ äußerer Werthe eine gewiffe Fühle Zurückhaltung begretfh;b eY:
; fchemen Läßt.

_ Diefe 65ntmrd?e[ung war {chon Z>utcfz ihre Dorausiet5ung


dem Lande, die in ihrer überwiegenden Mehrheit doch noch Fauf-
Träftig war, flr fünftlerifche Angelegenheiten zu erwärmen. Die
: l(unftpflege horte da auf, wo e nicht mehr den Beburfmfien des
Städters entgegenkam. In der Annahme, daß das £and von
jelbit nachfolgen würde, traf man umfaffende Deranftaltungen,
um Kunft .und Kunftgewerbe volfsthümlich zu machen. Schulen
_ und. Bibliothefen murden errichtet, Mufeen eröffnet, Konkurrenzen
ausgefchrieben, Sachblätter gegründet, Stipendien. freigiebig ver-
theilt, Aufgaben geftellt, Kunftgegenftände gekanft und verbreitet
und unzählige Dorträge gehalten — alles für die Städte, nichts
für das £and. MWährend in jene taufend Anregungen gelangten,


Nachdruck verbofen


dorrten ‘ auf dem Lande die immerhin noch vorhandenen Refte
einer ausgelübten Hunftuberheferung oder wurden von der Sluth /
UGl
den legteren, mit fertigen Möbeln, £ £ampen, Tertilien, geförniten _
Kacheln, Gefäßen u. {. w hätte das Kunftgewerbe hier befruchtend
wirfen Fönnen; es hat aber feinen !Weg dorthin gefunöen o£me
Fünftlerifche 2Inregungen 3u hinterlafjen.

Das in ötefer Chatfache liegende nermcbtenbe Urtheil ußex: ;
unfere Kunftbeftrebungen wird durch Ddie Erfcheinung beftätigt,
daß auch die weniger begüterten ftädtijchen Kreife noch Feine
YWeigung befundet. haben, diejelben als auch für fich bei'tebenb—‘
anzuerfennen.-
äußerung aufgenommen, als MNode aber ebenfo bereitwillig wieder
veränßert. Eine nachhaltige Wirkung, die fich doch zunächft in
Ddem treuen ;Eeftbalfen des Erworbenen änßert, die ein perfonhches
Verhältnif. zwijchen Gegenftand unnd Befißer herftellt, hat fich
nicht bemerfbar gemacht. Was man liebt, giebt man nicht 10
o£me Weiteres forf, um ein vermeintlich Befferes einzutan cben‚
wie es tagtäglich gefchieht, wo nicht die Befchränfktheit der Mittel
ein gewifjes Hemmniß bildet. Unfer gefammtes Kunftf chaffen vDon


hypnotifirt, war bisher, foweit es mcht von dem Gegenftändlichen


anberung‚ nur 2Node, 'die gewechfelt wurde wie das Kleid.


Renaifjance fo anziehend erfchemt die glückliche Nebereinftimmung
der allgemeinen Dolfcempfmbung mtt ber aus ihr gefchaffenen*
Sormenwelt. .

MWoran ieat bws° i m1rf[tcb der Begrtff „Do[f“ mchf«


großen XNation in fich ichließt? Zft die Kunft gar international _
und fann nicht fordern, für die Anagehörigen eines Dolkes mif
gefchichtlicher Dergangenheit eine befondere Ausdrucksweife zu-
beanjpruchen? Oder ift in den fozialen. Nerfchiebungen unferes
Seitalters das Hemmniß zu fuchen, das Fünftleriiche Keime nicht
zur Entfaltung Fommen läßt? Alle Ddiefe Fragen dürfen hier
ernithaft aufgeworfen werden, denn fie find ıhatfächlich von -
logifch Denfenden mit mehr oder weniger Nachdruek be1abt
worden. Doch alle tbre Eründe vermögen nichts gegen das in-
{tinftive Bemufitiem einer übermwältigend - großen Anzahl von
Dolfsangehörigen au=5umcbten‚ daß fie Angefichts des MWandels
von Seit und Sorm fich in ihrer Gefühlswelt aleich. geblieben


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