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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 30 (24. April 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0355

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Preis, vierteljährlich 5,— Mart,. ** * .
Sür die Nitglieder der Runftz und ;
. Rünftler » Dereine 2,— Marfk,

. Doftzeitungslifte Ar, 1174,


und Künftler-Dereine.

Ulle 8 Cage erfheint eine Nummer,

; ; ‚Znferxate

Foften 40 Pfennige für die,4 gefpalternte
Itonpareille=5_etle.

Publifationsorgan . des Dentfchen. Runftvereins. in Berlin, des Schlefifchen Kunftvereins
vereins in Deffau, des Württembergifchen Runftvereins in Stuttgart,


Münden, ÖOldenburg, Mannhein, Nürnberg, Bera,

Ur. 30.


J. Inhroang,


Doan Grorg

%ü je nationale Entwidelung Sder deutfhen Bildhauerkunfkt
e hat mit einer Anzahl von Unterftrömungen ‚ 3zu rechnen,
d£@ die für die romanifdhen Völker- bei,. ihrem Direkten
‚ OÖufammenhange mit der griechif O-römifchen Neberlieferung
wenig in Betracht Fommen. Der faft ausfchließlich religiöfe Charakter
der‘ Monumentalffulptur,- ihr enger Sufammenhang mit dem
Rirdhenbau; - ift für : beide Dölfergruppen maßgebend, Dagegen
darf nicht außer Acht gelaffen werden, daß. Spanien, Sallien
und die Donauländer . römifche. Provinzen waren, . ehe das
Chriftenthum: in ihre Grenzen feinen Einzug Dbielt, . während der
größere Theil Dentfchlands die neue Lehre allmälig unter lang-
famem Zurüddrängen der heidnifchen Tradition in fich . aufnahm,
Das romanifche Chriftenthum wirft in feiner prunfhaften italifchen
Beftaltung auf die Einbildungskraft. Das germanifhe Chriften-
thum- zwingt die Herzen in feinen Bann, das Empfinden auf-
wühlend und mit nenem Jnhalt erfüllend. Die VDermittelung für
die Geftaltung des. veränderten Anjhauungsfreifes bildet bei den
Romanen ausfchließlich das Maffifche, auf die OHriftlihe Legende
angewandte Sinnbild, bei - den Deutfchen ‚geht es ‚eine innige
Verbindung mit der heidnifhen Jdeenwelt- ein, die noch Yahr-
bunderte hindurch ein fpukhaftes, , in wechfelnder Verkleidung auf-
tauchendes Dafein friftet, - Aus dem bis zur Begeifterung ges
fteigerten. religiöfen Empfinden heraus einerfeits, ans dem BHerein-
tagen heiönifcher Phantafiegebilde andererfeits ift die Ddeutfche
Bildnerei des frühen Mittelalters inbaltlidh zu verftehen.,

Die Runftübung: in vorfarolingerfcher Zeit . kannn hier nicht
in Betracht fFommen, fie ift im Wefentlidhen Zierkunft, die- fih nur
felten zur Menfchendarftellung -erhebt; wie Sdenn . die Rleinfunift
‚einer gefonderten Behandlung bedarf. Sobald die Bildnerei —
es Fommt ‘ bier 3unächft Ddie Elfenbeinfhnißerei in Betracht —


wagt, nimmt fie einen unterfcheidenden nationalen Charakter an,
der nur aus dem gefteigerten Empfindungsvermögen zu erflären
ilt. Schon die Stoffwahl erfheint hierfür bezeichnend,
_ elfenbeinernen Buchdekel des Pfalters Karls des Rahlen in der
Parifer Bibliothef ftellen Scenen aus dem Leben Davids dar.


So nimmt fih der Bildner anf der Vorderplatte des uchdecels
den Anfang des Pfalms 57 zum Dormurf: „JO rufe Bott . dem
Allerhöchften, der meines ‚Jammers ein Ende macht, Er fendet
vom DHimmel und bhilft mir von: der Schmacd meines Verfenfers,
Bott fendet feine Güte und Trene, Jch liege mit meiner Seele



Malkowskn.

unter den Löwen, Die Menfchenkinder find Slammen, ihre -
Hähne find Spieße und Pfeile und ihre Zungen fharfe Schwerter;
Sie ftellen meinem Gange Nebe, fie graben vor mir eine Brube
und fallen felbft darein,.‘ Und wie ftellt der
Verförperung widerfirebende Stimmung dar? „Öben fiebt man
den Erlöfer thronen, zu beiden Seiten, von. Bittenden - umgeben;
Datrunter fißt ‚die geängftigte Seele in Rindesgeftalt — guf dem
Schooße einer großartigen geflügelten. figur, weldhe fie in Schuß
nimmt, während von beiden Seiten grimmige Löwen von antifer
Lebendigkeit fie vergeblich bedrohen: und eine. Schaar Gewaffneter
mif Speeren, Pfeilen und Schwertern . fie 3u bezwingen verfuchen,
durch zwei Engelsgeftalten (BGottes Büte und Trene) gehindert. Don
höchfter Dramatik endlich find in der unterften Abtheilung die Feinde,
weldhe in die felbfigegrabene Grube hinabftürzen,“ Wir haben
diefes bezeihnende Beifpiel frühmittelalterlicher . Bildanffafung
als eines für viele angeführt, weil es in Motiv und Darftellung
gleich weit von antifen Muftern entfernt, . für Sie Verinnerlichung
biblifdher Dorgänge in Deutfchland _ Dharafteriftifch iff, . Leiden-
fhaftlihe Empfindung, bis zur Efftafe. gefteigerte Andacht Fommt
überall in unbeholfener, die Spmmetrie - zerreißender, den Fon-
ventionellen , faltenwurf . ftörender Bewegung - zum Durchbruch: _
Typifh für Ddiefes ngen na u _
Relief der Erxternfieine bei Horn im Lippefchen. Sonne und
Mond weinen in den oberen Eken der Darftellung um Cbhriftus,;
der von. Jofeph .und Nikodemus vom Rreuze abgenommen wird;
Maria fhmiegt ihre Wange an das leblos herabhängende Haupt
des Sohnes, Johannes naht mit zur Stirnm erhobener Band,
Rechts über dem Rreuze aber erfcheint die triumphirende Halb-
figur des Gottesfohnes mit der, Siegesfahne und unter . der. Erde
in einer Art Predella flehen Adam und Eva, von einem viel-
föpfigen Dracen - ummwunden, um. Erlöfung. Au hier das
Beftreben, über die Grenzen des bildlich Darftellbaren hinaus
die, ganze Bedentung des Dorganges zu erfhöpfen, die Handlung
zu DVerinnerlichen, -

/ gewinnt neues Leben, fie erklärt nicht mehr das BGefhehniß, fie
nimmt lebhaften Antheil an ihm; Sdie Thiere der Evangeliften,
Lömwe, Adler;, Stier fchauen verftändnifvoll Aandächtig zu ihren
Herren auf,. der Bär Sdes. heiligen Gallus trägt‘ einen Baum-
itamm herbei und empfängt als Lohn. ein Laib Yrotes. Die
Schlange der Bibel wird. zum Dbeimifch vertrauteren Drachen,
‚ Au der Thierhumor. Fommt zur Beltung und umfpinnt mit dem
 
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