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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

DOI issue:
Nr. 8 (21. November 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0091

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Preis viertehährhä; 3,— Mark,
‚$ür die Mitglieder der Kunft: und
Künfller : Dereine 2, - Marfk.

Poftzeitungslifte Xr, 1739 a.



UNe 8 <Zage erfcheint eine Yummer.
3Inferate
Foften 40 Pfennige für die 4& gefpaltene
Wonpareille: Zeile,

Ur. 8.


}, i‘£ubtgung_i


€n Deutfchland werden jährlich fünfhundert AMillionen Kilo
Papier zum Bedecfen der Wände bedruckt. Daß wir in
Z den Leßten Hahrzehnten es fo hHerrlich weit gebracht, ge:
reicht dem Ddeutfchen Unternehmungsgeifte zur Ehre. Wir
haben es verftanden, den franzöfifchen Import in den fteb5tger
Hahren 5urltd’5uörangm und Die Ddeutfchen Tapeten . in Dden
Wachbarländern, ja Überall, mo das Klima das Bedecken der
MWände begünftigt, eingublirgern
diefe Großinduftrie eine Konkurrenz gefunden; Ddie englifchen
‚ CTapeten tauchten auf und fanden nirgendwo fo begeifterte £ob:
redner als in Deutichland.
Kreifen mar das BGefühl der Yeberfättigung, der Richtungs-
lofigFeit und der Langeweile {o mächtig, daß Alles, was Eng-
land bot, als eine Auffrifchung begrüßt wurde. Das große
Derdieni{t, die deutfche Tapeteninduftrie ordentlich wach gefchüttelt
_ 3zu haben, ift unftreitbar vorhanden und nicht zu unterfchäben.

— Abgefehen davon, daß es ftets mißlich ift, eine ausländifche
Richtung uur nachzuahmen, DdDürfen wir mit volljtem Rechte
jagen, daß uns nicht minder die Sührung geblihrt, weil wir
nicht nur Über genügende Talente, Schulen, Dorbilderfamm:
Iungen 2c. verfügen,
die artiftifche Sührung bereits eroberten und — wieder
jalflen ließen.

; MWas war das, was die Parijfer Modeornamentik in den
Schatten ftellteP War eine nene, glänzendere Technitf erfunden?
Brachte man unerhörten Z?etchtbum der Effekte P Nerblüffte man
mit Schlagmwörtern, Ddie einen Mijchmafch von Haponismus und


tapeten wanödten fich einfach an den Gefchmactk der Architeften
und Künftler und Kunftfreunbe Da diefe die neue Richtung er-
jehnt hatten, fo ging es wie ein Kauffeuer durch alle deutfchen
Sauen, die Kunft im Haufe zu pflegen. Der bamaltge Hand-
druck ber Tapeten geftattete den Sabhrikanten, geringere Partieen
für den Bedarf der vornehmen Kunftfreunde zu druden, Dann
aber fam Ddie technifch fo großartig Fonftirnirte MWalzendruck:
majchine und verlangte Mufter für den Maffenbebarf.

_ Hätten heute unfere deutfchen Sabrifanten den gleichen Muth
wie die englifchen, das Rifiko zu fragen, um den Gefchmack der
oberen zehntaufend Kunftfreunde zu befriedigen, fo wäre Eng:-
1and nicht in den Ruf gefommen, uns überfligelt zu haben.

Woch ein anderer Umftand trat der Entwickelhung einer echt
„ dentfchen CTapetenornamentif hemmend entgegen. AMit den 1870
aus PDaris vertriebenen tfechnifch: routmxrten, aber auch franzö:
firten Mufterzeichnern, denen man Profe{juren verliehen, hatte,






Machdruck verboten.

Diefe wacderen Zeichner arbeiteten
im Kampf ums Dafein fleißig und erreichten, daß nicht mehr
Paris allein als‘ Marft für WModeornamentit agalt.
blieb unfere deutfche CTapeten: und CTeppichornamentik P

Einigen, aber nur wenigen Zeichnern gelang es, die Parifer
Eier{chalen abzuftreifen und in Stilmuftern Gutes zu Ite'rern Be-
greiflich ift, daß jeder Zeichner das am iebiten arbeitef, was er
beherrfcht. Xn Paris gilt als Höchftes, die Blume {o 5art und
fein mit wenigen Tönen zu {chattiren, daß man glaubt, die Natur
jei erreicht. OMb die Gefeße der Wiederholung in Frage Fommen,
ift Xebenjache. Ob ferner es logifch ift, große WWände fo zu
„beblümeln“, Fommt nicht in Betracht. Der Sabrikant merkte
am 2lbfaß, daß der große Haufen die billigen Blumenmufter -
bevor5ugte Der Händler und Tapezierer fagte fich: MWarum
jollen wir uns mit Kunftfragen den Kopf warm machen? Die
oberen Klaffen zahlen. nicht viel mehr, wenn wir die Harmonie
Pilafter, Sockel mühfamnı erreichen.

Die Dresdener Ausftelung der Ddentfchen Mufterzeichner
zeigte 1893, wie viel Befchicklichfeit und CTalent vorhanden.
} {o Fannte man bereits
im Wefentlichen die Ddreihundert weiteren. MWalter Crane
charalfterifirt die moderne Muftermacherei als ein Auswählen
wohlflingender Worte oder Phrafen aus irgend einem Lerikon.
So tief ift die Kunft anf Diefent BGebiete gefunfken, weil das
Technifche und Merkantile allein maßgebend wurde. .


brachte jüng{t zahlreiche Abbildungen englifcher CTapetenmujter.
Die fogenannten Anaglypta-Mufter zeigen technifch das Slachs
relief der £incrufta CTapeten, die bekanntlich in Hannover an-
gefertigt werden. Die Modellirung muß fehr forgfältig fein.
Der hohe Preis verlangt ftrengere Yuswahl. E€s find Feine
AMaijenwaaren, denn diefe Anaglypta-CTapeten wählt der reiche
Bauherr 0oder Villenbefiker oder fein Architekt felbjt aus. Ver- .
gleichen wir die zahlreichen WMırter mit den vor 20 Hahren in

Deuntfchland Fultivirten Stilmuftern, fo ift — abgefehen vom
Relief — eine außerordentlicdhe Vermandtfchaft zu erkennen.
Selbitverftändlich modelt das Relief der Ledertapete einige Formen
{jtärFer als die einfache $lachornamentif; fonft i{ft aber das Wefjent- _
liche fo zufjammengeftellt, als hätte man Ddie älteren Ddeut{chen

Mufter umfomponirt.
Mufter Feineswegs die AMotive der Walter CErane-CTapeten. Wes:
halb halten die Engländer Ddiefen neuen fogenannten nationalen
englijichen Stil nicht auch hier fejt? Sind fie bereits mlüde, gigan- -
tijche, verfchuörfelte Blumen mit wilden Ranken zu {chanuen?
 
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