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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 15 (9. Januar 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0175

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Deutfche 1

Centrat-Organ Deuffeher @{u‘nrf; und Künftfer-Vereine.

IDotbenblcitt für das geiammté deutfche Runftfchaffen.

Preis vierteljährtlich 5.— Mark, ; )E}erausgegeben DoN Alle 8 Tage erfcheint eine Nummer,
Sür die Mitglieder der Runft- 1md ©n . Jnferate
Rünftler - Dereine 2,— Mart, - ÖLOCT Äläflüiflhläf‘l!}. foften 40 Pfennige für die 4 gefpaltene
Poffzeitungslifte Yr, 1174, Scriffleitung und Berwaltung Berlin W.57, Sieinmekhlix, 26, Yonpareille-Zeile.

J)uhlifatiohesorgan des Dentfchen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Sroßherzogthum Beffen in Darmftadt, des Anhaltifchen Runft-
vereins in Deffan, des Würftembergifchen Runftvereins in Sinttigart, des Schleswig Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Mannheim, Nürnberg, Gera, Altenburg,
; Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlif, Danzig, Rönigsberg, Stettin u a.

Yr. 15, _ 2R 0 2 9, Innuny 1897, . ; I.3Huhrgaug‚

. Sprache und Kunft,
Don Brung Schippang.

"{977 jele Monate, bevor das Rind im Stande ift, ein einziges | Unterfchiede fo groß, Saß es faßt Dheißt, die deutfche Sprache
Wort mit Bewußtfein zu {prechen, wverfieht es, fein noch einmal erlernen, um Ddie Fähigkeit zu erlangen, gotbifche
Empfindungsleben. der Umgebung mitzutheilen. €s und mittelhochdeutfhe Urterte zu lefen, Die Befchichte ver-
fann worfommen, daß feine Liebfofungen den Be- zZeidhnet nur die gewaltigen Denffteine; fie verfteht beffer 3

wWegungen 3um Verwechfeln ähnlih werden, die fih fpäter meffen als 3u beobachten. Vielleicht fhildert fie einige Swifdhen-
zu fanftfchlägen geltalten, es Ffann fein, daß Dder Unterfchied ftufen, felten nur 3ählt fie den Arbeiter des einzelnen Tages:
’3mifcben dem SGefchrei des Eigenfinns und Sden Yeußerungen | fie ift anßer Stande, die feinen Mebergänge vom Unbewußten
pbyfifhen Schmerzes faum wahrnehmbar ift, Jmmer aber zum bewußten Lächeln des Rindes zu fontroliren — der BGeologe
vermag der aufmerffame Beobachter, der gerade mit diefem berechnet ja auch nicht, was der einzelne Waffertropfen, die eine
einen. befonderen Rinde zu un ‚Dat, fOnell u er Regenwolfe dem Laufe des Fluffes anthut. Deffen ungeachtet
fennen, welcher befonderen Empfindung das Rind im gegebenen haben alle einzelnen Glieder jeder Generation von Ulfilas bis zu
Angenblit Ausdruc geben will. Der Uebergang vom unbewußten Wolfram vom E{henbach, von Rürenberger bis auf Luther an


weiß man, daß er vollzogen ift, vor vierzehn Tagen war der Regensburg und alle fahrenden Prädifantenbrüder, die Judas
Schritt noch nicht gethan. Das Rind bildet feine eigenen Werthe Jfcharioths und Magdalenen der Myfterien und Paffionsfpiele,
_ für beftimmte Dinge. Die Gewohnbheit, feine individnelle Ausdrucks- zechende Landsknechte, reifende Raufleute, Handwerksgefellen,
weijfe 3u geftalten, ift mächtig; . am mächtigften, fo lange das Feifende Marktweiber und betend dichtende Nonnen, fie alle ar-
Rind im engumfriedeten Reiche der Familie abgefhloffen bleibt, beiteten von Tag 3u Tag an der Umgeftaltung der Sprache,
Erft die Schule macht ihm begreiflich, daß ein Buch nicht fromm Der ehrfame Stadtchronift und der haarfpaltende Scholaftifer,
fein fann, daß die Sonne nicht untergeht, fondern daß die Erde Johannes Tanuler und der Dichter des „Reineke de VDos“ thaten
fich dreht., Die Vielen verlangen von dem Einen, daß er dante ‚ bielleicht nicht mehr zur Umbildung der Sprache, als ein un-
und fprehe wie Alle, Die VDorftellung aber, Sdie jeder „Eine‘“ | bekannt gebliebener Scholar, der gelegentlidh in der Schenfe in
_ mit dem millionenfach gebrauchten Worte verbindet, ift zum gebundener oder ungebundener Rede einen neuen fühnen Ausdruck
mindeften fo variationsfähig, wie das Nerven- und Temperaments» fand, der durch mündlidhe Tradition verbreitet und vererbt Wurde,
leben der vielen „Einen‘, e ftärker der „Eine‘“* die Unzuläng- bis ihn Scheffel literarifch firirte, 2

lichfeit, das bloße Spmbolifche in Sder Sprache empfindet, Sefto Aug die Runfiwerfe find Rinder ihrer Heit, ihrer Beimath,
lebhafter bethätigt fid fein Bedürfniß. nach Unterftüßungsmitteln ihres Örtes, Die handeltreibende Republik VDenedig bringt eine
für die Sprache, nad zwedentfprechenden Ausdrücken 3u füuchen. farbenprächtigere, genußfüchtigere Runft zur Xlüthe, als der vor-
Wo Sdie Bewegung der Hand, der Wechfel des Mienenfpiels nicht mnehm fürftlihe Glanz des florentinifihen Hofes, Tizian und
zulangt, wo felbft das rethorifche Patbhos nicht ausreicht, um die Tintoretto müffen nothwendig auf Pialhein, den geborenen Dam-
Tiefe des Empfindens, die Feinheit der Stimmung wiederzugeben, burger, einen Reiz ausüben, weil beftimmte, gleichartige Elemente


Rolorit des Q3emälöes, die durchgeiftigte Form der Stulpturen beeinfluffen. Millet, der normannifche Bauernfohn, wird beim
und Bauwerke zu Hilfe Fommen: Die Runft wird zur Spradhe Anblit der- Werke des Michel Angelo von einem Seelenfchmers
und die Spradhe zur Runmit. ‘ ergriffen, den felbft Thränen nicht zu lindern vermögen. Er hat.
. Dom filbernen Roder in Upfala zum Parcival, vom f ein Leben des Leidens hinter fih und Sdie Ausficht auf ein
Yibelungenlied bis zu Luthers Bibeldentfch, welhe Sprünge! | Dafein voll‘ bitteren Leidens vor fih; er Fonnte fühlen, wie der
 
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