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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

DOI issue:
Nr. 11 (12. Dezember 1896)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0127

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*

und Künftfer-Vereine,


preis pierteljährlich 3.— Mark,
$ür die Mitglieder der Kunft: und
Künfller=Dereine 2,— Mark;

Poflzeitungslifie Yir, 1739 a,



Ale 8 Tage erfcheint eine Nummer.

3Znferate
Zoften 40 Pfennige für die %gefpaltene
Yonpareille - Seile,

Mr 1,


I8 3itl)rgixitg.



; er Grundzug in dem Schaffen Melchior Lechters, wie es

Z Yich in der Ausftellung bei Surlitt offenbart, i{ft volle,

; rückfichtsloje KHingabe des gefammten Fünftlerifchen
Empfindens.

es mit dem vollen Brufiton der Neberzeugung: „Ich muß fo

malen, weil icQh nicht anders malen Fann.“ Das Nerftehen der

Perfönlichfeit des Künftlers fällt mit dem Verftehen feines Schaffens

zujammen, ‘

Die Srage, ob _ es möglich ift, eine möivibuefle Welt-
anfchauung mit Stift und Pinfel zu. geftalten, ift hier unbedingt
gelöft. Meber die gewählten Fünftlerifchen MNMittel mögen Ddie
{treiten, denen es um Ddie todie CTheorie mehr zu thun ift als um
die lebendige Praris. Wenn Melchior Lechter Zeichnung und
Sarbe, Aiufif unmd Schrift zu Hülfe nimmt, jo hat er Recht, fo:
bald es ihm gelingt, ein einheitliches Kunftwerk zu Stande zu
bringen. 21ls Bindemittel dient ihm {fein unfehlbarer Sinn für
die Einfügung der Dinge in den gegebenen oder frei gewählten
Raum, fein am Ornament geübter 3m”tmft für öen 5uiammen
FHang ber £inien und Sarben.

Echte, gefunbe Kunft erwächft nur auf dem Fräftigen Xähr-
boden fteter Xaturbecbachtung. MWie gefund Melchior Lechters
Kunft ijt, bezeunugen feine bei Surlitt ausgeftellten landichaft-
. Jichen Stindien. Seine Kreide- und Bleiftiftzeichnungen aus den
_ Dolomiten thürmen :die Felsblöcke {pielend in fcheinbarer Lebens-
größe auf, ohne darum Ddas liebevolle Erfaffen des Kleinen zu
vernachläffigen. Die Perfönlichfeit geht in dem Dargeftellten
Segenftande auf, weil fie ausichließlich beftrebt ift, ihn nach:
zubilden und fo fich ganz zu eigen zu machen. s liegt eine
rührende Befcheidenheit in diejen Studien, die niemals über fich
hinauswachfen und zu Bildern werden. Sie halten die Natur
; felt, ohne fie 3zu , vergewaltigen; fie zwingen fie in ihrer ein:-
fachften Er{heinungsform, in £inien und Licht-. und Schatten:
majjen, in das BGedächtnig des Künftlers hinein. Es i{t Ichade,
daß Lechter bei Surlitt nicht auch feine, Ddiefen. Zeichnungen
ent{prechenden Sarbenftudien ausgeftellt hat, die den erfteren als
charafteriftiiche Ergänzung dienen. Neber die Selfen riefelt ein
Quell und Iäßt ihre moosbedeckten $lächen feucht {himmern, ftille
Bergjeen tauchen in Seljen eingebettet auf und fptegeln des
Yıimmels tiefes Blanu wieder, bunfe[grune Kiefern ragen pinien:
artig empor, {turmfeft mur5elnb in dem zerFlüfteten Geröll. Keiner
der Sfizzen haftet etwas Unfertiges an, fie' find jede ein Stück
belaufchter Ztatur, wiedergegeben, wie fie gefehen wurde, ohne





und Studien Lechters Fennt, munß ihn für einen fleißigen Ab:


jamer Cechnif nahe zu fommen fucht.

Unter Dder (ßefammtbegetcbnung „.frub[mgsembrucfe” find
dann bei Gurlitt etwa ein 'Dui3enb ‚Oaftefllanöfchaften aus- -
geftellt, die den Künftler von einer anderen Seite zeigen. XIn
zart belichteten, welligen Srasflächen, aus denen Seldblumen
heranfgrüßen, wagen {fich perfönliche Empfindungsmomente
{chüchtern hervor. Leije aleitet der Sonnenfchein Über Ddie
Sräfer hin, aus denen filbrige Buchen- und Birfenftämme aufs
ragen. Durch all’ diefe Studien geht ein Raunen und Weben, _
als wollten fie etwas verrathen von dem großen SGeheimniß des
Die Ylatır will lebendig werden, vom <Empfmben
des Künftlers befeelt.

Zlun regt es fich in der Xatur, fubpftmes <Empfmben bas
Melchior Lechter in fie hmemphantafirt und aus ihr heraus:
geftaltet in einer eigenartigen, nur in Yenßerlichfeiten an Böcklin
erinnernden ;S*ormenfpracbe Der Dermenichlichung der Natur-
er vermenf{chlicht die Aaturftimmung.
Seine Landjchaften beleben fich mit männlichen und weiblichen
Hdealfiguren als Empfindungsträgern. So hat er in drei Bildern
„WNMorgen“, „Zlachmittag“ und „Dämmerung“ verförpert. Die
Frühfonne Kiegt freudig hell über einem Wiefenhang. Ein junges
Menfchenfind {trampelt nactt im Grafe und ftreckt jauchzend die
YNermchen einem Baumzweige entgegen, den ein f{fchönes Weib
mütterlich lächelnd zu dem Kleinen herniederbengt. Die Blätter
jchimmern metalli{ch, als follten fie das Frühlicht verfinnbildlichen,
dem das Kind 5ujubelt „Bieb mir die Sonne,“ Hingt es aus
dem Bilde heraus, naivp und Ddafeinsfrendig o£‘me fromfbccfteni
Wißton. — Xn das zweite Gemälde hinein behnt fich in faftigem
Moosgrün eine Chalmulde, deren ?lbfchluß ein Hügel mit weißen
Sänlenhallen bildet. Horizontal fallen die Sicht{trahlen über
die &rbfenfung hin, zarte Ezalbfchatten hineinwerfend. Unten
liegt eine me15[tche Sejftalt in finnender Ruhe, während eine
andere, die £ £eyver im Arm, fich dem tempelartigen Ban auf der
Aöhe 3uroenbet — 3n bex: „©ammerung” lagern tiefe Schatten
auf einem Waldrand, vor dem fich eine dunke Wiefenfläche dehnt.
m weichen Moofe am Weiher ruhen traumhafte weibliche Ge:
{talten, denen fich eine ebenfo[che aus dem Baumdunkel herausz
fchreitend zugefellt. Wie ein Schleier fenFft es fich über die ganze
5chtlberung und läßt Linien und SFarben 5ufammenfltefien 3u
einem malerifchen Xotturno. — NMärchenhafte, fich unge5roungen_
aus dem LXandf{chaftlichen herauslöfende f;ttmmung herricht in
 
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