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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 45 (7. August 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0535

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Preis vierteljährlihH 3.— Mark.
Jür die Mitglieder der KRunft: und
Rünftler = Dereine : 2.— Marf,
Poftzeitungslifte Mr 1174.



Alle 8 Tage erfheint eine Mummer,
S Önferate O
. Foften 40 Pfennige für die 4 gefpaltene

‘ Nonpareille-Zeile, :



\ Mr. 45,

. I; 31ulyrßut‚tg.‚ 8



er moderne Dekorateur hat in mander f)infid)i Grund zu

M

E feufzen: GBott bewahre midh vor meinen . Freunden.
U:E.ÜL y Die Anforderungen an feine Gefchicklichkeit fteigen von
A Jabr zu Jahr und Sdoch wird ihm felten die Genug-

thuung 3u Cheil, den Beifall der Rritif zu erringen. Die Rritik,

wie fie etwa in Jacob v. Falfe’s „Runft im Baufe‘* zuerft Ein-

gang beim Publikum fand, lenfte die Aufmerkfamfteit der Laien-

freife auf biftorifche Stilformen. Da aber die Lehrer des Runft-.
gewerbes, die ausführenden und Faufenden Rräfte anfangs den

„Stil“ in zufälligen Aeußerlichkeiten fuchten und ihn. nicht im

Sinne der Formenfprache oder des Stimmungsanusdruces be-
itachteten, fo fam die Modenfucht zu ftark zur Geltung, in-

dem man eine Stilperiode die andere jagen ließ. Man fühlte

i in den unverfiandenen formen nicht heimifh und fuchte un-

entwegt nad) Derbefferungen. Jnfolge ‚Siefes Morwärtsftrebens

find wir augenblitlih auf den Standpunkt. gelangt, daß man
die Himmereinridhtungen der wohlhabenderen Familien in der

„ Weife Dberftellt, daß jedes Zimmer in demjenigen „Stil‘“ ge-

halten ift, welder im Stimmungsgehalt dem Zweck des Raumes

am nächften fommt, Durchfchnittlich lautet das Rezept etwa fo:
Gothif oder Bauerntechnifen für Berren-, Rauch-, Yagdzimmer
und Dorräume; Renaiffance für Speifefaal und Bibliothek und

Srühftücdszimmer; Rococo, Louis XVL, Oueen Anna ıe. für

Salons und Boudoirs, und modernes Englifh für Schlafzimmer.

Dazwifhen bewegt fih natürlihH eine Unzahl von Spielarten;

Der Stil im Allgemeinen ift je na der Leiftungsfähigkeit der-
Deforationsfirma mehr oder minder Forreft; bisweilen findet man
modern durchgeiftigte Sachen, oft todten Schablonentkram. Jmmer

wieder aber rufen die Führer der Bewegung: weiter, beffer.

Englifhe Tapeten nacdy Walter Crane, vereinfachte Möbel nach

Morris, Horta oder Plumet, Stidereien nach Obrift, Gobelins

na Edmann aus Scherrebef u f. w. ur gelegentlih hört

man befonnene. Geifter darauf hinweifen, daß fFatben, die im

trüben englifchen YNebellicht mild und weich fcheinen, in Deutfch-

land zu Ffraß wirfen; daß das Format unferer deutfhen Fenfter

jih mit dem Rhythmus der englifchen Tapete nicht verträgt; daßı
englifde Möbel nur in die architektonifche Gliederung englifcher

Wohnräume hineinpaffen, daß die Obrift’fhen Stickereien technifch

unverantwortlidh mindermerthig von billigen italienifchen

Arbeiterinnen ansgeführt find, daß die Scherrebedfer Supraporten

fich im Mündener Glaspalaft ebenfo gefhmadlos ausnehmen,

wie die Dorhänge und Wandbekleidungen ungetheilte Sewunderung

verdienen und andere Reßereien mehr. '


BGerade das, was im Mündener Blaspalaft an Innen- |


hinzuweifen, daß auch die augenbliclich eingefchlagene Richtung

nicht die unfehlbare ift, weldhe zur Ausgeftaltung des dentfchen
Heims im fünftlerifhen Sinne unbedingt führen muß. OÖbhne
Hweifel geben diefe Räume eine Stimmung, aber fie geben Feine
BGedanken; es ift überall an die Farbenempfindung appellirt, aber
die Raumgliederung Fommt nirgends zum ausgefprochenen Be-
wunßtfein, ein gewiffer Feminismus macht fih geltend, der weder
einent echten Manne . noch
erträglich fein fann,

gefunde Anregung 3zu geben vermag und nur dazır dient, daß
man fortfahren mwird, die Wände der Wohnzimmer mit allerlei
Plunder zu bededen, fatt darauf zu finnen, durch richtiges Auf-
ftellen der vorhandenen Sachen die abfchenlichen Proportionen
unferer Miethsfafernenräume fo zu aliedern, Saß wenigftens der


Ausdruck fommt. e fohneller und je nacdhdörückliher die einfluß-
reichen Führer der funfigewerblidhen Bewegung die Aufmerkfamteit
der Dekorateure und Hausfrauen auf diefen Punkt lenfen, Sefto
mebr ift von der Zukunft zu hoffen. Obhne Zweifel ift es höchft
danfenswerth, daß unfere Rünftler überhanupt anfangen, fich mit
dekorativen Aufgaben 3zu befhäftigen. Es muß |
giebig an der Forderung feftgehalten werden, daß fie auch technifch
auf der Höhe fiehende ausführende Kräfte verwenden. In
Scherrebetk gefchieht das; Herr Obrift aber Iäßt feine vortrefflichen
Heihnungen in Stichen ausführen, die nur fehr ‚ geringe Balt-
barfeit garantiren und auch den feinheiten der Entwürfe nicht
gerecht werden.

was doch au nicht gerade. als erfirebenswerthes Ziel für das

Publikum als muftergiltig hingeftellt werden. Wie wenig deutfch
fie find, erhellt am beften daraus, daß für Rösl's Sachen dort-
fein Pla war und feine Sonderausftellungen todtgefhwiegen
wurden. Yliemand wird Rösl Selbftändigkeit und modernes
Empfinden abfprechen Fönnen. Weil er aber in feftem Zufammen-


die Modefhablone, die augenblidlidh gepreßt if. Gerade wer
die Feinheiten von Obrift’s Linienführung, den echten Stimmungs-
gehalt der Edmann’fhen Entwürfe am beften zu würdigen ver-
mag, wird nicht umbin Fönnen, die Mängel zu Dbekflagen, Sie
 
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