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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 29 (17. April 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0343

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‚Preis vierteljährlidh 8,— Mart, \
für die Mitglieder der Runft: und
Künftler » Dereine 2,— Mark,

Poftzeitungslifte Nr, 1174, Z

Publikationsorgan des Dent{chen‘ Runftvereins in Berlin

und @iin[ffew@ereine;

Alle 8 -Cage erfheint eine Nummer.
Unferate \ ;
Foften 40 Pfennige für die 4 gefpaltene
Nonpareille-Zele.


Bera,
Rövtigsbc;g, Stettin u. @.


L 3ialyygutt_g‚;‘


Sie feßt an die Stelle
fie deutet nicht mehr, wie die ältere Schweiter, unorganifche Ver-
bältniffe wie die von Laft und Tragfraft an, fondern fhafft die
OÖrganismen felbft nach.
aber wird fie. durh ihr Material von vorne herein auf Sie
Cthilifirung _ ihrer Darftellungsobjekte angewiefen: WDom ibrem
Milien losgelöft, erfcheinen diefe vereinzelt, nicht, wie in der
Malerei, durch ihreUmgebung bedingt, fondern in diefer Dereinzelung
gewiffermaßen über ihre Eriftenzbedingungen hinaus” überhöbht,
felbftherrlich, als feiende uınd bleibende, nicht als werdende und
vergehende. Holz, Stein und Metall — das wefentlich in
Betracht Fommende Material des vollendeten Bildwerks —- bilden,
ihbren Stoffcharakfter wahrend, weniger flüffig als die ‚farbe,
die Natur nach, obhne fie bis zur Täufchung wiedergeben
u wollen. © \
' Sobald jidh die Stulpitur von ihrer Sienenden Stellung
zur Baufunft befreit hat und über Dekoration und Örnament
hinausgefommen ift, wird fie Vorwiegend zur Götter- und Menfchen-
Sarftellung und Läßt Siefe ihre hauptfächlichen Aufgaben obhne
wefentlide Unterfcheidung in einander überfließen. Jndem fie das
BGöttliche vermenfchlicht, das Menfchliche vergöttlicht, Fann fie
niemals auf die Jdealifirung ihrer Darftellungsobjekte verzichten.
Das ausgleichende DVerhältniß der Schönheit zur Wahrbeit gelanat
in der Sfulptur am reinften zum Ausdruck. &.
Der Schönheitstanon der Bildhauerfunft aber kannn noth-
— geörungen nur - durh Raffen- und Niationalitätsunterfchiede be-
dingt zur Geltung gelangen. Dom affyrifchen Rönig über den
_ ägyplifchen Pharao, die griechifhen Rednerftatuen, die römifchen
‚ Raiferbildniffe und das Reitermonument des Colleoni fort bis zu
dem Denfmal. des Großen Kurfürften, erfcheint die {fulpturelle
Darftellung des idealifirten Menfchen von jeher in ihrer nationalen
Eigenart, und felbft in dem weniger durch die Raffe differenzirten
weiblihen Schönheitsideal tritt das nationale Element 19 1tarf
. hervor, Saß Sder Unterfchied zwifchen den Rarypatiden Ddes
Erechtheions und den Sfulpturen vom Naumburger Dom fich


hindurch augenfällig Babhn bricht. .



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Jn der Götterwelt verkörpern fich die böchften Jöeen der Menfch-
beit, aud) bier national befchräntt, i bin und wieder einander
nähernd und fcheinbar zZufammenfließend, und doch an Inbhalt
und ‚fFormengebung ebenfo weit von einander entfernt, wie die


jungfräulidhen Gottesmutter des germanifchen Mittelalters. Der
Heus des Pbhidias und der Bottvater, wie ihn etwa Peter Difder —
gebildet, verhalten fich zu einander, wie der hellenifche Ölymp sum
deutfhen Himmel. Die Dermenfchlidhung des Göttlichen fann, fobald
es fidh um bildnerifche Darftellung handelt, mit Feinem anderen
Dorbild rechnen, als mit dem durch lofale Eigenart bedingten. /
Hu diefen urfächlichen Dorbedingungen der nationalen Ent- .
widelung der Bildhauerkunft Fommen folde; die mit rm
fünftlerifjchen . Endzielen zufammenhängen. Die Sfulptur war
nun einmal von jeber von den Fulturellen und politifhen.
Errungenfchaften der Dölter nicht 3u frennen, ja, fie ‚erfcheint
gefchichtlich betrachtet, als der Fünftlerifche Niederfchlag der ge-
fammten geiftigen Entwidelung einer Nation. Wie Ser Einzelne _
fih ängfilich bemübt, die Yachwirkung feiner Perfönlichkeit über -
die furze Lebensfpanne hinaus 3u verlängern und wenigftens
äußerlidh als Jndividnum auf die Nachwelt zu Fommen, fo feben
die Völfer ihrer Entwidelung Markfteine durch die Denkmäler
ihrer hervorragendften Repräfentanten. Oeffentlihe Monumente E
find eine Gefchichte in Stein und Erz, die ergreifender zub
Yachwelt fpricht, als eine ruhmrednerifche Biftorie. Schlüter und
Rauc) baben mehr für' den Ruhm des Großen Rurfürften und
Sriedridhs des Großen gethan, als die Loyallten Sefchichtsflitterer,
Die recht geübte und recht verftandene Runft fteht dem Dolfs-
empfinden näher, als das populärfte Schriftthum,
. Es märe undankbar und unwahr zugleich, wen man ver-
Ffennen wollte, daß die ganze moderne BGeiltes- und Rultur-
entwidelung und mit ihr and) die der Runft auf Maffifh-antiter
Brundlage ruht. Aber es ift andererfeits nicht zu leugnen, Saß
mit-dem Schlagwort „Renaiffance‘ ein unverantwortlicher Mifß-
braucdh getrieben mworden ift. Die Refte der grichifch - römifchen
Sfulptur waren niemals vom Erdbhoden verfhwunden, und die .
dentfche Bildhauerkunft hat von den plumpen Sarfophagreliefs
mindeftens ebenfo große Anregung erfahren, als vom Apollo
von Belvedere und von der Laokoongruppe. Die Adam Rraft,
Deit Stoß und Peter Vijdher roßen von einer nationalen Rrafte
fülle, . mit . der fich der. lendenlahme Hellenismus des Anfanges
 
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