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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 1.1896/​1897

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Nr. 19 (6. Februar 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.55168#0223

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Preis vierteljährlih 3,— Martk.
Jür die Mitglieder der Kunft- und
‘ Rünftler = Dereine 2.— Mart,

Poftzeitungslifte Yr. 1174,




Alle 8 Cage erfheint eine Nummer,

Ynferate
foffen 40 Pfennige für die 4 gefpaltene S
Nonpareille-Zeule,

2a9a DE


des Runftvereins für das ®rof;her‚ogtf)um Beffen in 2armftaöt des ?lnbalhfcben fiunff«
YNürnberg, Gera, Altenburg,

Mr. 19,


L Inhrgang.



@s erftarfen die Rünfte, es Fräftigen fich die Wilfenfchaften,
( es blühen die Geifter,
c „Nunc juvat vivere“, „es ift eine freude zu Teben*,
rief in Dell ausbrechendem Jubel einer der berrlich{ten Deutfcben
aus, der unfer war vom Scheitel bis zur Zehe, rief Ulrich
von Butten, Mnd fo wie damals, als vom fonnigen Süden her
füßlocende Runde in den Norden drang, fo ift uns heutzutage
z3u Muthe: Ya es ift eine Sreude zu leben. Jcdh grüße Dich,
Du bherrlidhes Ouattrecento, Du Gegenwart.

Wir fehen einem ungeahnten Auffhwung Sder Runft ent-
gegen, und das mitzuerleben, tagtäglich neu befeligend, zu fühlen,
zu feben, ift wirfliqes, volles Leben. Meberwunden ift der ein-
feitige, öde YNaturalismus, der Falte Realismus, wir dürfen wieder
träumend umberwandeln im geheimnifßathmenden Märchenwald,
wir fuchen bebenden Herzens Venus Anadyomene unter Örangen-
blüthen, wir Iachen felig des Parteigezänkfs und Regelzwangs.
Ylr die Schönheit wollen wir, die reine, hohe, herrliche Schönbeit.



fremder Veiden, wie fehnten wir uns nach. Leidenfchaftlicher Dar-

fellung der eigenen Leiden des Rünftlers!



meer ftieg riefengroß, leuchtend Ddie langgefuchte Geliebte,
gebeimnifumwobene Schönheit empor. Mnferer Liebe Panzer,
nnferes Rönnens Siegesfrende umgiebt fie als fefter Schuts.

Wie lange danerte es, bis unfer herrlichfter Beld,
Siegfried Deutfcher Runft, Meifter Arnold Böcklin, felbft



Werfe ÖOffenbarungen im reinften vollften Sinne diefes Wortes,
I)e1[ ibm! 21nd Heil denen, die zum gleichen Priefterthum berufen,
den Dornenweg weitergingen dem Bilde der todten Böttin ent-



erfränmen, wo fie im weißen Marmortempel thront, geheimnifßvoll
lächelnd. fi1d)i leicht. ift ihnen und uns der IDeg‚ gemoröen, Öa
wir- 1i)n füchten; und jebt, da mir ihn gefunöen 2

'

Ylun gilt es, in zu behalten, ihn weiter zu verfolgen. Die -
Runft muß wieder deutfdh werden, fie muß wieder unter das
Dolf, wie fie es durdhy die Tafelbilder des 15. Jabhrhunderts,

Surh Schonganuers und Dürers lätter gewefen war.
Und es wird au wieder dahin Fommen. Jch nenne
nur Choma’s Lithographien, Diefe herrlidhen echt deutfchen -
Werfe eines TFräftigen und felbfiftändigen . Rünftler- —

geiftes, Zwar ift der Weg fhwer und die Arbeit hart, aber das
Siel ift erreichbar und ftrahlend. Wie beneidenswerth e1i'cbemed
uns die beiden Runftvölfer des ®1'tens und Weftens, die Japaner
und fFranzofen! Man denke an den 1apamfcben Runfthandwerfer,
Öet 0as Prinzip „lart pour Mar aur äußerften Ronfequens
bringt, dem die einfadhe, fhöne, reine Linie, in firbfe[bffab=_
gefhloffen, fJich felbft genügend, eine Dekorative fünftlerifche
Einzeleriftenz führt, und dagegen der öeuti'cbe Bierbanfpbilifter!
Dodh das Bewußtfein der Schwierigkeit einer Aufgabe verftärft
nur die Energie des Stirebens, Die Runft ift eine zarte Pflanze
und bedarf liebevoller Fürforge und Pflege, aber ebenfo Jicher
daß fie herrliche Blüthen erzeugt, Föftlidhe Früchte trägt.
Denn die Runft ift eine foziale funfktion von eminenter Be-
deutung und Tragweite. Darum bhat auch Sdie Wifenfdhaft
die Pflicht, für fie zu forgen, Mittel und Wege zu fuchen. Don



_ Und die moderne Wiffenfchaft giebt uns
Wir leben ja@ im Dbiftorifchen
Heitalter, das Gefeß der Entwicelung ift allmächtig in der
Wiffenfchaft. Mnd dem genialen Meifter Darwin verdanken wir
das Gefet, daß Alles, was eriftirt, durch diefe feine Eriftenz
auch feine Berechtigung beweifßt. Mebertragen wir die Ent-.
widelungsthcorie und das Thatfachengefetz auf die moderne,
wird alfo-
Darnach ift die moderne Runft eine in ihrer Wefen-
beit und ihren Aenßerungen vollflommen berecbtzgte‚ Oie {

macht erft. hoffäbig.

Epochein ‚heraus entwidelt hat; fie ift zugleichh das ]3rob_uft der.
nationalen Eigenart und der [höpferifhen Jndiviönalität.
 
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