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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Ja, also!
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0063

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Verhöhnen und Verketzern. Dabei lasen wir fast tagtäglich nach fast regel-
rnäßigen Beschwörungen zur Einigkeit unr des Vaterlandes willen ebenso fast
regelmäßig den Hinweis, daß dies nnd das drüben nicht anginge und daß nran
dieses drüben bedenken möge. Immer: drüben — rechts hieß es: die zur
Linken, links: die zur Rechten bedächten nicht und forderten zn viel. Oder hat
irgendwer irgendwo «inen Appell zn willigem Opfern und Verzichten an die
eigne Partei gelesen?

^ifber im stillen war er auch bei den Parteien da. „Unwürdig der großen
^-Stunde" erwiesen wir Deutschen uns nicht. Ampolitisch bis zum Außersten,
das ist man freilich gewesen. Man hat ahnnngslos den schwerstmöglichen poli-
tischen Fehler getan, indem man den Reichsfreund- und Reichsfeind-Gegensatz
nnter andern Benennungen wieder aufleben ließ. Seien wir nicht stolz darauf,
wenn wir das jetzt erkennen, wer von uns hat denn letzthin in wichtigen poli--
tischen Dingen nicht geirrt? Unsre Meinungsverschiedenheiten festzustellen, mag
zur Klärung noch angehn, aber die Polemik über sie darf jetzt nicht sein.
Weder die Angriffe der Vaterlandspartei noch die Angriffe gegen die Vater-
landspartei gehören in die Erörterungen der nächsten Zeit — möge gelingen,
daß man auch in den Preßorganen die Zänker an der Kette hält.

Machen wir nns das lieber zweimal bewußt: während man im öffentlichen
deutschen Leben immer nur mit Vorwürfen gegen den andern kam, bereitete
man unter sich das Preisgeben von Partei-Interessen vor. Zur Rechten, wo
die sind, die geben sollen. SelbstverständliH, das ward den Anbietenden anch
dort nicht leicht, wo sie fürchten mußten, daß man ihnen sonst nahm. Hält einer
nun einmal das weite Wahlrecht für einen Ansinn und eine Gefahr, so werden
seine Gewissensbedenken dadnrch nicht leichter, daß seine politischen Gegner sie
nicht teilen. Es geht auch nicht von heut auf morgen, daß man sich fürs
Wahlrecht innerlich umstimmt, weil man darin bei der Gefährdung des Ganzen
das kleinere Abel sieht. Wieviel Selbstüberwindung.in den neuen Beschlüssen
der vreußischen Konservativen liegt — mir scheint: das zu verstehn und mit
Dank anzuerkennen, ist Aufgabe verbündender Gesinnung links.

/i^inzelne konservative Männer haben die Forderungen der Zeit schneller und
>^weiter als ihre Parteigenossen erkannt, auch «inzelne konservative Führer in
Parlamenten. Aber noch konnt« man ihnen in ihren Kreisen nicht folgen,
sie traten beiseit. Wären sie durchgedrungen, wie vieles HLtte nns das erspart
und wie vieles gewonnen, ohne daß es das kleinste weitere Opfer auch nur
an Parteiinteressen gefordert hätte, als jetzt unerläßlich ist! Wären sie durch-
gedrungen zu früher Zeit, wie anders ständen die Konservativen heut vor dem
Volksbewußtsein und nicht nur an Ansehn, sondern auch an Macht! Wie and«rs,
wenn sie schon seit langem nicht nur „ja — aber" gesagt hätten, sondern „j a
— also!«

Das ist die Forderung dieser mächtigen Stunden, daß wir endlich allesamt
auch die Stimmung gewinnen: ja — also!

(?>enn was bis jetzt gegeben und angeboten wurde, geschah mit der Stimmung
-^des Kompromisses und der Konzession. Besorgt, unfroh, widerwillig. Kom-
promisse und Konzessionen tun es für uns alle nicht, wenn wir für die Kämpfe
der nächsten Zeit, und sie genügen «rst recht nicht, wenn wir für die Entwicklung
des Deutschtums in der Iukunst die Höchstkraft gewinnen wollen. Die Menschen
konservativer Art, „bewahrsamer" Art dürfen nicht beiseite stehn, sie brauchen
ihrerseits die andern, und die deutsche Gesamtheit braucht sie. Wenn sich, von
ihrem Standpunkt gesehn, „die Herrschaft der Massen nicht mehr vermeiden
läßt," was ziehn sie dann vor: sich „beiseite drücken" und „schuriegeln" zu
lassen, oder ihren Einfluß innerhalb der „Massen" zu suchen, mit andern Worten:
mitzuarbeiten? Die Nöte der Gegenwart verlangen aufrichtige Annahme
der neuen Voraussetzungen, weil sonst die Verbündung schwächlich bleiben und
nichts als Schwächliches erwirken könnte in einer Zeit, da es um Leben oder

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