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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 3 (1. Novemberheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0116

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in derjenigen, welch« uns beschäftigen
wird. Er erblindete früh, und als er
seiner Braut das Iawort zurückgab,
antwortete sie: er habe sie jetzt nötiger
als vorher. —

Die kleine Dichtung, urn dereuwegen
wir von Pfeffel sprechen, berührt merk-
würdig stark uns im Weltkrieg Ver-
lorene. Ist das Grausen, das wir er°
leben, ein letztes Wort? Grausam ist
das Leben immer. Entsetzliche Leiden
gehen durch die Welt auch in Frie-
denszeiten. Wen sie trafen, für den
ist selbst ein Weltkrieg nicht grausamer.
Ist nun aber er vielleicht die Offen-
barung einer endgültigen letzten Wahr-
heit, nach welcher im Mittel des Welt-
geheimnisses ein ewiges Grauen wohnt
und die Antwort auf die letzte Frage
des Menschengeistes das Entsetzen ist?
Ltwa wie im Gilgamesch der beschwo-
rene Tote auf die Frage nach der
„Satzung der Erde" antwortet: „Ich
will es dir nicht sagen, mein Freuud,
ich will es dir nicht sagen. Wenn ich
die Satzung der Erde, die ich schaute,
dir sagte, du würdest den ganzen Tag
dich hinsetzen und weinen!" „So will.
ich mich denn den ganzen Tag hinsetzen
und weinen." — Hören wir nun die
kleine Erzählung des blinden Pfeffel:

Ein Iüngling las im Plato von
einer Zarmonie der Sphären. Das
nahm ihn vollständig hin und er flehte
Tag und Nacht zur Gottheit, daß er
sie hören dürfe. Das gehe nicht an,
wurde er beschieden. Diese Töne sind
nicht für menschliche Ohren. Aber der
Iüngling blieb bei seinem Gebet, bis
schließlich Iupiter seinen Scheitel an°
rührte, daß er durch alle Himmel hörte.
Im gleichen Augenblick brach ein so
wildes Tosen, Kreischen und Durch-
einanderdröhnen über ihn herein, daß
er meinte, das Brüllen dcr Hölle nach
ihrem Raube zu vernehmen. Erblei-
chend bat er den Gott um Taubheit.
— Das ist das menschliche Berständnis!
erwiderte die Gottheit, es lebt in den
knrzen Dissonanzen, die nns, dic wir
das Ganze erleben, in ewig ansteigen-
den Wohllaut zusammenklingen.*

Bonus

* Pfefsels Ausgcwählte politische
Werke sind bci Reclam erschienen (Nr.
807—8(0), geb. (.50 Mk. und Kriegszu-
schlag.

Sammelparolen

ie Parteien bereitcu die allgemeine
Landesverteidigung vor und geben
in Aufrufen dazu Parolen aus. Wo
sie sich nur an die eigenen Parteigenos-
sen wenden, selbstverständlich diejcnigcn
ihrer Partei. Wo man über die eigne
Partei hinausgreisen, wo man verbün-
dend wirken will, da sollte man jetzt
am wenigsten vergessen, daß für die
andern als leere Phrase wirkeu kaun,
was für einen selber ganz echtes, ganz
tief und reich empfundenes Wort ist.
Das gilt, beispielswcise, von der Pa°
role: „Für Kaiser und Reich". Sehr
vielen ist es ein Wort voller Gchalt,
voller Wärme, ein Wort wie ein Ge-
bet. Aber täuschen wir uus doch in
diesen ernsten Stunden nichts vor:
ein Sammelwort für das ganze
deutsche Volk ist es schou der repnbli-
kanischen Sozialisten wegen nicht. Wo
wir alle zum Einsatz der höchsten Le-
benskraft im Lndkampfe vcreinigen
wollen, brauchen wir ein anderes, das
unmittelbar und ganz anschaulich zu
allen spricht. Das tut auch das Wort
„Vaterlaud" nicht, es bedeutet vielen
nur eincn Begriff, etwas Abstraktes.
„Für Freiheit und Heimat",
vielleicht wäre das cins.

Soll der Klügere nachgeben?

rankcnbcrg in der „Hilfe" (<(2): Das
Sprichwort ist etwas orakelhaft und
vcrlangt geistigc Mitarbeit. Der Klü-
gere gibt nicht so weit und in dem
Sinnc nach, daß er sich dcm Willcn
des Dümmeren unterwürfe, soudern er
sieht die höheren Gcsichtspunkte, unter
denen der ganze Streit unsiunig und
lächerlich crscheint. Er entdeckt Intcr-
essen, die ihm mit seinem Gegner ge°
meinsam sind, und findet Wege, auf
denen sie von beiden gemeinsam erstrebt
wcrden köunen, ja, er schließt cine
Arbeitsgemeinschaft mit ihm, die bciden
sicherc Vorteile gewährleistet. And gleich-
zeitig kuudschaftet er Mittel zur Ver-
meidung küuftigen Zwistes aus, dcun
er ist von dcr Unfruchtbarkcit eines
jeden Streites durchdrungen uud hält
den Versuch, über Meinungsverschie-
denheiten durch gegenscitigc Schädiguug
entscheiden zu wollen, für aussichtslos.
Ie klüger jemand ist, um so fester ist
er davon übcrzeugt, daß jeder Streit
sich auf vollkommeu fricdlicheur Wege
 
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