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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 4 (2. Novembereft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: In Sachen der Alldeutschen: und auch in eigener Sache
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0131

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sie glairbte sammeln zu können, nrdem si« di« Ziele einer Richtung
als die gemeinsamen Ziele hinstellte, wie das ehedem Bismarck mit der
Trennung der Deutschen in „Reichsfreunde" und „Reichsfeinde" getan. Um
über meine persönliche Stellnng keinen Zweifel zu lassen, trat ich in den
Vorstand des „Volksbundes für Freiheit und Vaterland" sofort bei seiner
Gründung ein. Aber wie viel Bedenkliches dann von der Vaterlandspartei
ausging, immer wiedcr hielt ich die Polemik gegen sie im Zaum. Einmal:
ich achtete und achte noch die Gefühle sehr zahlreicher Männer und
Frauen in ihren Kreisen. Möglich, es wachsen Kultur--Gefahren heran, bei
deren Bekämpfung wir diese Kreise brauchen wie sie uns. Dann: es gab doch
wahrlich auch für die Politik im engern Sinn in dcr jüngsten Vergangenhoit
nichts, überhaupt gar nichts Wichtigeres bei uns im Reich, als daß wir die
Kluft durch unser Volk jeht wenigstens nicht erweiterten, so lange wir nicht
daran gehen konnten, sie von unten aus zuzuschütten. Handelte man drüben
nicht demgemäß, enthob das uns nicht der Pflicht, besonnener zu sein.

Nun ist der ganze Bau der alldeutschen Pläne zusammengebrochen. Das ist
bei Gott nicht zum Höhnen, es hat die echten Lebensideale von Hunderttausen--
dcn verschüttet und zermalmt, die nicht bloß Interessenten und Phrascure, die
mannhafte Männer urck» frauenhafte Frauen auch allerbesten deutschen Schlages
waren. Aber es i st so. Als Ludendorff den Waffenstillstand vcrlangte, setzte
er seinen Namen untcr das Zertrümmernngsurteil des alldeutschen Vaus. Er,
der heimlichc Kaiser dcr Alldeutschen selber. Dieser Bau ist jetzt uicht etwa
nur ohne Dach, daß die Wiirde drin pfeifen, nein, keine Mauer und kein
Pfeiler mehr steht davon, dcnn sein Fundament ist dahin, die felsenfeste Ver-
läßlichkeit der deutschen Heeresmacht. Ich will heut nicht davon reden,
warum das ward. Nicht davon, was Schweres und Schwerstes die all-
deutschen Irrungen über unser Volk, über dieses Vaterland gebracht haben,
dessen Namen sie als Parteiname nannten. Iugegeben nun: was dabei von
Schuld war, kann nur bei einzelnen Führern gewesen sein, von tauscnd All-
deutschen höchstens bei einem. Die suggerierten Mitläufer kamen da nicht
in Bctracht und die echt Aberzeugten stehn unterm Zeichen der Äragik: keine
Steine also auf sie, wo sie schweigen! Sehr viel Nachsicht mit ihnen noch da,
wo sie sich mit Schutzgefühlen vor andern und vor sich selber zn decken suchen.
Aber: wo sie jetzt noch mit alten Reden fortfahren, zu ent-
zweien, zu beschuldigen, wo sie nach so restlosen Mißerfol-
gen ihrer eigenen TLtigkeit in der Politik der Möglich-
keiten weiter werben für Ideale, die als Phantome er-
wiesen sind, da handeln sie unentschuldbar. Sind sie denn von
der Stimmung ihres eigenen Kreises, von ihren alten Irrtümern und von ihrem
neuen Schmerz so benommen, so geblendet, daß sie nicht ahnen, welcher Zorn,
welche Empörung gegen sie jetzt im Volke herangewachsen ist und weiterwächst,
sowohl im Heimatvolke, wie ganz nnd gar nicht minder an den Fronten im
Heer? Unsre Konservativen als solchs haben nach der Haltung ihrer führenden
Blätter dic Gefahr dcr Stunde sehr wohl erkannt, auch die andern Parteien, aus
denen die Alldcutfchen kamen — die eigentlich alldeutschen Blätter dagegen
nicht. Denn das kann man doch wahrhaftig nicht glauben, daß der Ton ihrer
Beiträge in den lehten Wochen auf das Provozieren geradczu ausginge.

Auf das Provozieren von was? Wir malen kein Gespenst an die Wand,
wir lesen ein Menetekel, das jeder mit Augen sieht: der Amsturz droht.
Nicht eine Revolution, die sich mit der Auflösnng dcr jehigen Staatsordnung
und der Monarchie begnügt, sondern der Umsturz, der um zu zerstören
stürzt, aus Rachelust, aus Wut-Entladung. And dennoch geht dieses irrsinnige
Verhehen weiter, das schon den Äkamen eines Politikers von links nicht
anders als mit Hohn nennen und das, scheint's, nicht begreifen kann, daß auf
der Linken gerade so gut außer Trugbildern auch «chte Ideale wachsen, wie
rechts. Für heut und morgen handelt es sich vor allcn andcrn Dingen ums
Retten. Dann wird sich's ums Aufbauen handeln. Netten und auf-
 
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