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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 4 (2. Novembereft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0147

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trauern und aus dem einigenden
Schmerz Vertranen und Liebe keimen
lassen. Während wir gegeneinander
kämpften, hat anch Gott für sein un--
sichtbares Königreich gestritten. Dieses
Reich ist übernational. Nicht die Para--
graphen des kommenden Friedensschlus-
ses, sondern die gemeinsame Sehnsncht
nach dem Sieg des Vertranens und der
Liebe ist die sicherste Bürgschaft des
Völkerfriedens.

Die reife Weisheit der Philosophie
des Altertums verlangte, im Frieden
mit dem Schicksal zu leben, nnd die
Neligion gipfelt gleichfalls in dieser
Forderung. Verschließen wir uns ihr,
dann zerreiben wir nns in frucht--
losem Iammer. Wer arbeiten will,
mnß von der gcgebenen Wirklichkeit
ausgehen. Das gilt von der Politik
ebenso wie von der Gestaltung des
Einzcllebens. Alles Nachzürnen ge°
genüber dem Schicksal und das Träu--
men, wie schön es wäre, wenn alles
anders gckommen wäre und zwar ge-
rade .so, wie wir es uns ausgedacht
und gewünscht hatten, all das ist nur
Kräfteverbrauch ohne Nutzen. Freilich
dürfen wir Lcn Frieden mit dem Schick-
sal nicht so verstehen, als müßten wir
die Gegenwart als die letzte und un°
abänderliche Form des Geschehens an°
erkennen. Sie ist vielmehr ein Voden,
in dem viele Keime ruhen, solche von
gutem Gewächs und auch solche von
Unkraut. Darum beginnt, nur unter
veränderten Voraussetzungen, die Ar°
beit an jenen und der Kampf gegen
diese von ueuem. Nicht blinde Erge°
bung, sondern bewußte Einstellung in
die Richtung des Geschehens tut not.
Ie deutlicher wir im Schicksal den
Willen Gottes erkennen, nicht nur den
vollbrachten, sondern auch den auf das
Vollbrachtwerden wartenden, desto ruhi-
ger und tapferer werden wir unsre
Arbeit tun. Ietzt darf das Psalm-
wort unser täglicher Wunsch werden:
„Er lasse uns sein Antlitz leuchten,
daß wir auf Erden seine Wege er°
kennen" — und, setzen wir hinzu: be°
schreiten.

Es scheint, daß wir mit unseren
Gedanken und Wünscheu eine Rich-
tung eingeschlagen hatten, in der sich

die Weiterentwicklung der Welt nicht
bewegen wird. Es sieht aus, als ob
wir unsre Kraft unnütz verschweirdet,
die schwersten Opfer vergeblich darge-
bracht, ja im Grunde gegen die Vor°
sehung gekämpft hätten. Da hilft uns
eine Geschichte, die Meister Eckehart
im „Büchlein vom Troste" erzählt:
„Ein Herr hatte die Gewohnheit, wenn
er einen in sein Gefolge aufgenommen
hatte, daß er den ausfandte bei Nacht
und ritt ihn dann selbcr an und focht
mit ihm. Und da geschah ihm ein-
mal, daß er beinah erschlagen ward
von einem, den er also vcrsuchen wollte.
Und diesen Knecht hielt er hernach licb
und wert." — So wird es uns auch
nicht aufgerechnet, daß wir dcn Welt°
absichten in Unwissenheit entgegenge-
treten sind. Unsre Tüchtigkeit ist er°
probt und wir dürfen darauf zählen,
daß wir noch viel gebraucht werden.
Wir Deutschen können nicht nur mit
dem Schwert um uns schlagen, wir
können auch die Waffen des Geistes
handhaben, und wir wollen unsre Ehre
darein setzen, Gott gerade so zu dienen,
wie er uns haben will.

Ehristian Gehcr

Der Krieg ist verloren, aber „besiegt"
sind wir nicht

as sollte man doch auch in unserer
Presse klarer unterscheiden. Gesiegt
hat die feindliche Offensive im Westen,
wie vorher die unsrige, abcr die war
nicht „der Krieg". Den haben die an°
dern, englisch zu reden, gcwonnen.
Durch den Hungerkricg, durch die Roh°
stoffsperre überhaupt, durch den Vcr°
leumdungsfeldzug, durch den Sugge-
rierkrieg überhaupt, durch ihr zwcierlei
Maß, durch ihre Skrupellosigkcit über-
haupt, durch den Zusammcnbruch un°
serer Bundesgcnossen, auch durch unsre
eignen politischen Torheiten und unsern
Zwiespalt im Innern.

Aber verloren i st der Krieg. Laßt
unsre Ehre aus dem Spicl,
wenn ihr von dcm redet, was noch zu
gescheheu hat! Ob wir den Kampf noch
fortsetzen können, einer gegen ncunund-
zwanzig, weiß ich nicht, aber daß es
uns nicht zur llnchrc gcrcichen kann,
wenn wir ihn nicht mehr fortsetzen,
weiß ich. Hüten wir uns gerade vor
dem Reizen unsrer Unbesonnenheil
 
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