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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 32,1.1918

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Heft 4 (2. Novembereft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14375#0158

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die feste Äberzeugung haben, daß für
eine höhere Ordnung der Dinge nichts
von dem verloren geht, was aus echter
Gesinnung und mutigem Schaffen her-
vorgeht. — Aus dieser Denkweise ist
unsere Luther-Gesellschaft empfunden
und entstanden, wir wollen nach bestem
Vermögen wirken, damit es innerlich
bei uns besser stehe, daß dabei eine
Sammlung der Geister, aber auch «ine
energische Sichtung erfolge: ein rück--
sichtsloses Austreiben alles Matten,
Unwahren, Scheinhaften, das so viel
Macht über uns gewonnen hat. —
Dazu wol'en wir uns verbinden; wir
crlangen damit eine große Lebensauf-
gabe, und die Notwendigkeit der Sache
wird uns treibcn, fördern, beseelen.

Rudolf Eucken

Vom seelischen „Durchhalten"

Auch etwas zur „Diätetik der
S e e l e"

arum wir vom Kunstwart trob al-
lem und allem ganz und gar keinen
sachlichen Grund zum Verzwei-
feln sehn, das wisscn unsre Leser. Die
Trauer aber, sie muß bezwungen
wcrden und gerade der Geopfer-
ten wcgen, damit sie nicht umsonst
geopfert sind. Ein Zeitalter versinkt,
ein ncues geht auf, und von der Nacht
in den Morgen müssen wir unsre
Kraft, unsern Willen und sogar unsre
Fähigkeit zur Freude hinübcrretten,
nochmals: gerade um der Geopfertcn
willen. Man hängt aber am Gewohn--
ten, es ist, wie wenn einem Gatten die
Mutter bei der Geburt des Kindes
stirbt — das eben Kommende kann noch
kein Licbesersah für das sein, was geht.
Es kann aber heranwachsen dazu, wenn
man's «rzieht.

Nun ist es ja freilich leicht gesagt:
denkt nicht an das, was uns weggegan-
gen ist, denkt an das, was kommt.
Das kann man cbcn nicht „auf Kom-
mando", wenn man kein oberflächlicher
Gesell ist. Und doch gibt es fürs
Durchhalten der Seele keine Rettung,
als sich immer wieder gerade darin zu
üben. Ehrlicher, beißender Schmerz,
gründlicher Gram muß nicht nur
„durchgekostet", er muß erlebt wer-

den, wie^er schneidet und frißt, sonst
wühlt das „Verdrängte", das „nicht
Ausreagierte", innerliches Unheil stif-
tend, weiter. Aber dazwischen kann
man sehr wohl sich willcntlich auf die
Werte des Neuen einstellen, auf die
g u t en M 5 gl ichk e i t en, die in der
neuen Weltordnung liegen mögen —
wenn auch nur „besten Falls". Auch
der Allerzweifelsüchtigste wird solche
Möglichkeiten, und scheinen sie
ihm noch so „problematisch", vor sich
selber gar nicht bestreiten können. Da°
mit bcschäftige sich der seelisch Ermattetc
zunächst rein diätetisch. Er lese darüber,
er male sich das aus, „was die Gläu-
biaen solcher Zukunftsmusik sich eiqent-
lich vorstellen" — Bescheid lcrncn muß
er ja doch darum. And während er das
tut, vertiefe er sich in die heutigen
Taaesnachrichten n i ch t. Nackdem er
sich bis ieht mit ihnen herumaeschlagen
hat, ist für eine Weile genug davon in
ihm, was im Unter- und Unbswußten
verarbsitet wird: er darf in dieser
Beziehung seinen Gedanken mal „Bett-
ruhe" oönnen. Kommt er aus der wahr-
scheinlichen oder unwahrschcinlichen
„Zukunft" nach einer Vause ins Heut
zurück, so hat währenddem das Unbe-
wußte vorgearbeitet: er wird dann auch
von noch so Traurigem, was mittler-
weile geschehen, nicht mehr s o über-
rascht, also durchschüttelt werden. und
die Beschäftiguna mit dem Möglichen
der Zukunft wird ihm auf die heim-
liche Waae im Fnnern unmerklich
Gegenqewichte gelegt haben.

Wie sah es nach Fena in Deutsch-
land aus! Aber die Tüchtigen arbeite»
ten. Und was für Kräfts wuchsen dem
Deutschtum gerade damals heran!

Der Gedanke der Zeit

elchen Gedanken die Zeit
Einmal erkoren,

Der ist gefeit und beschworen
Nnd wird ewig wiedergeboren
Troh allem Widerstreit.

Seine Feinde mühen sich ab!

Mit Schlingen und Banden
Sie machten ihn gerne zuschanden;
Ilnd wenn er schon längst erstandeu,
Hüten sie noch sein Grab! Lingg

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